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Wasserkraft als «Eckpfeiler»

Paradox: Zu Beginn des Atomzeitalters mit Billigstrom aus Kernkraft glaubte man, die Atomkraft mache die Wasserkraft überflüssig – jetzt ist es umgekehrt, die Wasserkraft soll die Atomkraft ersetzen.

Südostschweiz
25.08.12 - 02:00 Uhr

Die Schweiz hat kein Öl, kein Gas und keine Kohle, die Schweiz hat wenig Sonne und Wind ... Aber Berge, Schnee und Wasser, und die kostbare, erneuerbare Ressource Wasserkraft nützt und nutzt Graubünden.

Die Wasserkraft gewinnt schon im Zeichen des Klimawandels an Bedeutung. Gewiss, auch die neuen erneuerbaren Energiequellen von Sonne und Windkraft wären Alternativen – aber vermögen nur eine marginale Rolle zu spielen. Solarstromanlagen in den Alpen könnten laut Einschätzungen des Bundes keinen grossen Beitrag zur künftigen Energieversorgung leisten, und ihnen wird in Graubünden höchstens eine Nischenfunktion zukommen.

«Eckpfeiler» der Bündner Strompolitik, wie Energieminister Mario Cavigelli immer wieder unterstreicht, ist die Wasserkraft. Sie stellt im Bergkanton Graubünden – wie im Wallis – den überragenden Pfeiler der Energiepolitik und besonders der Stromproduktion dar. Als Folge der tragischen Ereignisse von Fukushima wurde auf nationaler Ebene – für die meisten überraschend, für viele auch etwas überhastet – der Ausstieg aus der Atomkraft proklamiert. Die Wasserkraft gewinnt noch an Bedeutung, wenn es darum geht, die zukünftige Energielücke auszufüllen. Der Bund rechnet mit einer Erhöhung der Kapazität aus Wasserkraft bis im Jahr 2050 von rund zehn Prozent. Dies soll mit einer Optimierung der bestehenden Grossanlagen wie auch mit neuen Projekten erreicht werden.

Die Geschichte der Wasserkraft war in Graubünden nicht nur eine Erfolgsgeschichte – daran erinnert das Debakel der «Bündner Kraftwerke» zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die unerfahrene Geschäftspolitik der Bündner Kraftwerke für den Kanton 1923 in einer finanziellen Katastrophe endete und zum Ausverkauf der Wasserkraft an ausserkantonale Gruppen führte. Dies hat dazu geführt, dass unterländische Partner das Geld brachten, die auch den Löwenanteil des Profits einkassieren können.

Jahrzehntelang wurde um eine gerechtere Verteilung der Erträge gerungen. Beim anstehenden Heimfall in den kommenden Jahren sollen nun bessere Bedingungen für den Standortkanton ausgehandelt werden, denn von den Millionengewinnen müsse «ein grösserer Anteil im Bergkanton bleiben».

Die saubere, erneuerbare und CO2-freie Energiequelle Wasserkraft hat bemerkenswerte Trümpfe auszuspielen. Sie kann mit ihren Stau- und Pumpspeicherkraftwerken Spitzenenergie produzieren, weil der Strom genau dann ins Netz gelassen werden kann, wenn er gebraucht wird. Der Alpenraum eignet sich hervorragend, um in Zukunft als Energiespeicher, als «Batterie» für die Schweiz, aber auch für Europa zu funktionieren.

Dieser Trumpf wurde leider auch schon kurzsichtig verspielt, wenn es nun nach dem Menetekel von Fukushima auch in mehr Köpfen zu tagen scheint, was für einen Stellenwert die «weisse Kohle» in Graubünden hat – auch bei jenen, die einen Ausbau einsamster Talschaften wie Curciusa so lange verhinderten, bis die Chancen einer Realisierung endgültig bachab gegangen waren. Gewiss, Ökonomie und Ökologie, Schutz und Nutzen sind im Gleichgewicht zu halten. Curciusa ist immerhin noch im kantonalen Richtplan aufgeführt, wenn auch der Zeitpunkt zum Ausbau durch die damalige Opposition verhindert worden ist, wie bei anderen Grossprojekten auch. Wobei der Widerstand seitens des Landschaftsschutzes beim Projekt «Greina» seinen Sinn hatte.

Bei der Wasserkraft wurde die Chance genutzt und aus einzelnen Kraftwerken ein starkes Unternehmen wie Repower geschaffen, das dank der notwendigen Grösse im europäischen Wettbewerb eine Rolle zu spielen vermag – und wo der Kanton in die Verantwortung eingebunden ist. Ein Beispiel des konstruktiven Zusammenwirkens ist das Projekt «Lago Bianco» im Puschlav, wo dank einer Kooperation von allen Beteiligten, von Unternehmen, Gemeinden und Umweltschutzverbänden nach langen Jahren zäher Verhandlungen ein beispielhaftes Projekt realisiert werden kann. Der Ausstieg aus der Atomkraft macht die Wasserkraft zum Gewinner. Diese Chance ist zu nutzen.

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