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Was Journalismus mit Freiheit zu tun hat

In Neuenburg wird bei einem «Le Matin»-Journalisten eine Hausdurchsuchung durchgeführt, weil er angeblich das Amtsgeheimnis verletzt hat, aber wohl eher, weil er der örtlichen Nomenklatura zu oft auf die Füsse getreten ist.

Südostschweiz
21.08.13 - 02:00 Uhr

Von David Sieber

Eine Nebensächlichkeit? Mitnichten! Es handelt sich um einen direkten Angriff auf die Pressefreiheit. Und diese häufen sich in der «freien Welt» besorgniserregend.

Der wohl krasseste Fall betrifft den englischen «Guardian». Das Traditionsblatt war massgeblich daran beteiligt, Edward Snowdens Enthüllungen über einen nie da gewesenen Abhörskandal bekannt zu machen. Erst wurde der Lebenspartner eines angestellten Journalisten vom britischen Geheimdienst neun Stunden lang festgehalten und verhört, dann machte Chefredaktor Alan Rusbridger noch viel Unheimlicheres bekannt: Nachdem er ziemlich direkt von der Regierung unter Druck gesetzt worden war, musste die Redaktion im Beisein zweier Schlapphüte Festplatten mit Snowden-Material zerstören.

Auch wenn Rusbridger natürlich schlau genug war, Kopien anzufertigen und diese sicher zu verwahren (und weiter zu verwenden), ist der für eine Demokratie einmalige Vorgang ein Skandal im Skandal. Er offenbart eine Denkweise, die mit einer freiheitlichen Grundordnung nicht vereinbar ist. Im Namen der Sicherheit wird die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger ebenso geopfert, wie die Medien daran gehindert werden, diese Schandtaten aufzudecken.

Als in der Schweiz Ende der Achtzigerjahre – dank der Medien – der Fichenskandal aufflog, ging ein Aufschrei durchs Land. Man konnte sich nicht vorstellen, dass der eigene Staat seinen Bürgern grundsätzlich misstraut. Entsprechend gross war das nachfolgende politische Erdbeben. Seit den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 ist alles anders. Es wird wieder fichiert, was das Zeug hält. Niemand, der sich im weltweiten Web bewegt, entgeht den Lauschern der diversen Geheimdienste. Jeder ist eine potenzielle Gefahr.

Ganz besonders Journalisten, welche ihrer Pflicht nachkommen und mit ihren Enthüllungen selbst Lichtgestalt Obama als trübe Tasse entlarven. Sie sind für die Regierungen nichts weiter als Sicherheitsrisiken. Und Sicherheit geht vor Freiheit. Tatsächlich? Wer will in einer Welt der totalen Überwachung leben? Wer mutlose, gleichgeschaltete Medien konsumieren? Niemand, der sich Demokrat nennt.

dsieber@suedostschweiz.ch

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