×

Warum nicht mit Hercule Poirot von Glarus nach Zürich reisen?

Der Glarner Sprinter soll mit einem Lesewaggon Zugreisende zum Lesen animieren. Die Idee stösst bei den SBB auf offene Ohren, wie die Baeschlin- Geschäftsführerin Gaby Ferndriger bestätigt.

Südostschweiz
15.01.13 - 01:00 Uhr

Von Assunta Chiarella

Glarus. – «Die Abteiltüren klappen zu, jemand schreit auf. Dann bleibt der Luxuszug in einer Schneewehe stecken. Als der Millionär aus dem Nachbarabteil erstochen aufgefunden wird, gerät Hercule Poirot in Fahrt. Nur ein Mitreisender kann der Mörder gewesen sein.»

So könnte sich eine reale Leseszene eines Zugreisenden im Glarner Sprinter abspielen, der den Klassiker «Mord im Orientexpress» von Agatha Christie liest, während plötzlich eine Stimme aus dem Lautsprecher ertönt: «Geschätzte Fahrgäste, wir treffen in Zürich Hauptbahnhof ein.»

Eine Utopie? Nicht für Gaby Ferndriger, Geschäftsführerin der Buchhandlung Baeschlin in Glarus. In Braunwald sei mit der erfolgreichen Eröffnung des Kulturcafés «Bsinti» bereits ein Bücherdorf im Entstehen: «Nun können die Ferien der Bücherfreunde bereits in Zürich starten, mit dem Einstieg in den Glarner Sprinter, wo ein Lesewaggon die Zugreisenden in die Welt der Bücher entführt», erklärt Ferndriger. Natürlich könne der Bücherwaggon auch von anderen Zugreisenden einfach als gemütliche Sitzecke genutzt werden.

Die Idee des Lesewaggons stammt von Martin Vogel, dem langjährigen Betreiber des Märchenhotels «Bellevue» in Braunwald. Er stiess damit bei Ferndriger sofort auf offene Ohren. Mit einer Projektgruppe versucht die Buchhändlerin nun, die Vision zu realisieren: Einerseits ist in einem der Waggons des Glarner Sprinters eine reale Leseecke mit richtigen Büchern geplant, die zur Lektüre einlädt. Andererseits wird es Anschlüsse geben, wo jeder Reisende seine Kopfhörer einstecken kann, um sich ein für die Reise ausgewähltes Hörbuch zu Gemüte zu führen.

Glarnerland als kulturelle Hochburg

Geplant sind auch regelmässige kulturelle Veranstaltungen mit Autorinnen und Autoren oder auch Verlagen, wie Ferndriger erklärt: «Wir möchten mit diesem schweizweit einzigartigen Angebot das Glarnerland kulturell aufwerten, sowohl für die Gäste als auch für die Glarner Pendler.» Im Glarnerland habe man mit grossen Autoren wie Tim Krohn oder Emil Zopfi sehr viel zu bieten. Zudem gelte das Glarnerland bereits heute als eine kulturelle Hochburg. Leider werde sie von aussen noch zu wenig als solche wahrgenommen. Dies wolle man nun ändern, so Ferndriger.

Die Projektgruppe hatte bereits eine erfolgreiche Sitzung mit den SBB. «Diese stehen dem Projekt sehr wohlwollend gegenüber», freut sich die Geschäftsführerin. Momentan entstünden die ersten Skizzen, wie der Waggon mit wenigen Mitteln zum attraktiven Bücherwaggon umgebaut werden könne.

SBB begrüssen die kreative Idee

Ein Lesewaggon in den Zügen der SBB tönt gemäss Reto Schärli, Mediensprecher der SBB Zürich, nach einer sympathischen Idee: «Zugreisende lesen gerne und viel, wie man täglich beobachten kann. Weshalb nicht mal statt eine Zeitung ein gelesenes Buch im Abteil für den nächsten Passagier liegen lassen oder einem Wartenden auf dem Perron spontan eines in die Hand drücken?»

Der Glarner Pendlerverein ist laut Ferndriger an der Hauptversammlung ebenfalls informiert worden und hat seine Mitarbeit zugesichert. Finanziert werden solle das Projekt teils mit öffentlichen Geldern, teils mit Beiträgen von Stiftungen und Sponsoren: «Unser Projekt ist ambitioniert», sagt Ferndriger. Wir möchten an der kommenden Landsgemeinde den Bücherwaggon einweihen.»

Reisebereit: Die Bücher warten nur noch auf grünes Licht für die nächste Zugfahrt.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR