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Warum die Firma Stöckli wirklich verkauft wurde

D ie Familie Stöckli zieht sich aus dem Luzerner Traditionsunternehmen Stöckli zurück. Diese Nachricht kam Ende Mai dieses Jahres aus dem Nichts und sorgte in der Sportwelt für Aufsehen.

Südostschweiz
17.06.14 - 02:00 Uhr

Beni Stöckli senior wolle mit dem Ausstieg aus dem Skigeschäft den Fortbestand der Firma sicherstellen, so die Begründung des Stöckli-Verwaltungsratspräsidenten Niklaus Knüsel. Diese offizielle Erklärung für den Verkauf der restlichen Unternehmensanteile an die Familie Kaufmann erscheint dünn und alles andere als glaubwürdig. Doch welche Beweggründe gab es für den Verkauf an die Familie Kaufmann?

Aus gut informierten Kreisen heisst es, dass mehr hinter dem Verkauf der Firma steckt, als offen kommuniziert wurde. Das Thema scheint sensibel zu sein – und heikler, als es Knüsel zugeben will. Die Öffentlichkeit soll offenbar etwas Bestimmtes nicht erfahren. Hierfür spricht, dass alle Mitglieder der Familien Stöckli und Kaufmann sich bisher nicht öffentlich zu dem Thema äussern. Sie haben sogar eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet. Warum ein solches Vorgehen, wenn es doch «nur» um den einfachen Verkauf eines Unternehmens geht? Informierte Kreise bestätigen, dass es einen Zwist zwischen den Brüdern Walter und Beni Stöckli senior gegeben hat. Dieser hatte offenbar Folgen. War am Ende ein Familienstreit der Auslöser für den endgültigen Verkauf des Familienunternehmens an die Entlebucher Familie Kaufmann?

«Nach eingehender Analyse der Stärken und Schwächen des Unternehmens haben wir aber erkannt, dass es Stöckli noch besser gehen könnte», sagte Knüsel. Dass es ohne die Familie Stöckli plötzlich besser werden soll, verwundert. Denn finanziell ging es der Firma offenbar gut. Beni und Rita Stöckli hatten das Unternehmen vom Gründer Josef Stöckli übernommen und die kleine Skifabrik zu einem international aufgestellten Unternehmen ausgebaut. Sohn Beni Stöckli, der das Familienunternehmen seit 2008 in der dritten Generation führte, galt in der Branche als Vollblutunternehmer. Weltweit hat sich Stöckli dadurch über die Jahre einen Namen geschaffen. Nicht umsonst konnten Ende des letzten Jahres Sponsoringverträge mit Topstars wie Tina Maze verlängert werden. Der schnelle Ausstieg der Familie aus dem renommierten Unternehmen verwundert deshalb umso mehr.

Die Kaufmanns und Stöcklis sind lange geschäftlich miteinander verbunden. Kaufmanns besitzen seit über 20 Jahren Anteile am Skihersteller. Wie gross die Anteile der Familie Kaufmann waren, wird als Geheimnis behandelt. Knüsel spricht hierbei von einer «bedeutenden» Grösse. Die Beteiligung aufgebaut hatte der im Jahr 2012 verstorbene Unternehmer Hans Kaufmann. Die Innerschweizer Wirtschaftsgrösse war unter anderem CEO und Miteigentümer des Versandhauses Ackermann und Präsident der «Neuen Luzerner Zeitung». Kaufmann galt als Unternehmer der alten Schule. Mit seiner finanziellen Unterstützung wuchs Stöckli zur Weltmarke. Der Entlebucher Kaufmann hielt sich aber stets aus dem operativen Geschäft heraus.

Vor knapp einem Jahr, nach dem Tod Hans Kaufmanns, wurden die Frau des Verstorbenen, Eva Kaufmann, und ihr Sohn Diego (31) zu Mitgliedern des Stöckli-Verwaltungsrats. Diego Kaufmann hält die Mehrheit an der Stöckli-Beteiligung und ist damit der neue starke Mann bei Stöckli. Wie der junge Marketingfachmann, der das Licht der Öffentlichkeit scheut, zu dieser Mehrheit gekommen ist, ist unklar. Aus gut informierten Kreisen heisst es, dass Walter Stöckli, der Bruder von Beni Stöckli senior, der eigentlich bereits vor 20 Jahren ausbezahlt worden war, noch bis vor einigen Jahren eine kleine Beteiligung am Unternehmen hielt. Ein Streit unter den Brüdern soll Walter veranlasst haben, diese Anteile zu verkaufen. An wen, ist offen.

Anzunehmen ist, dass sich mit diesem Verkauf die Gewichte im Stöckli-Verwaltungsrat zu Gunsten der Familie Kaufmann verschoben haben. Der ehrgeizige Diego Kaufmann habe sich seitdem immer öfter in die operativen Abläufe des Stöckli-Geschäfts eingemischt, heisst es weiter. Sein Ziel: Stöckli soll stärker wachsen, die Marke international an Profil gewinnen. Beni Stöckli junior wollte diese Strategie nicht mitmachen und warf das Handtuch. Er muss sich deshalb nach einem neuen Job umschauen. Dass er einen solchen Entscheid freiwillig treffen würde, ist kaum anzunehmen. Auch der Vater, Beni Stöckli senior, stieg deshalb aus und verkaufte die restlichen Anteile.

Diego Kaufmann sucht unterdessen einen neuen Chef, der für Beni Stöckli kommen soll – einen, der seine Strategie mitträgt. Der Neue soll bereits gefunden sein und eine internationale Erfahrung in der Markenartikelindustrie aufweisen. Die neue Strategie des ehemaligen Familienunternehmens Stöckli ist auf mehr Wachstum ausgerichtet. Stöckli produziert jährlich 50?000 Paar Ski. «Durch die Einführung eines Zweischichtbetriebs könnten 20?000 Paar Ski mehr hergestellt werden», sagt Knüsel. Auch das Sommergeschäft mit Mountainbikes und E-Bikes soll weiter ausgebaut werden.

Bernard Marks

bernard.marks@luzernerzeitung.ch

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