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Vorne Leader Patrick Küng, dahinter zwei Fragezeichen

Mit der Abfahrt der Männer erfolgt am Samstag im Ski-Weltcup der Auftakt in den schnellen Disziplinen. Bei den Schweizer Speed-Fahrern soll mit dem neuen Sparten-Chef Sepp Brunner wieder mehr Ruhe einkehren.

Südostschweiz
27.11.14 - 01:00 Uhr

Von Marco Ackermann

Ski alpin. – Dass Walter Hubmanns Engagement als Chef der Schweizer Speed-Fahrer nicht von langer Dauer sein würde, hatte sich während der letzten Saison früh abgezeichnet. Der Österreicher hatte einen schweren Stand. Das Klima innerhalb der Equipe war gestört. Zwischen Hubmann und den ihm unterstellten Trainern stimmte die Chemie nicht. Hubmann trat zurück, und schon kurz nach dem Weltcup-Finale auf der Lenzerheide wurde ein Landsmann als Nachfolger präsentiert: Sepp Brunner.

Bei Brunner wussten sie bei Swiss-Ski genau, auf wen sie sich einlassen. Der 55-jährige Steirer hat eine lange Vergangenheit im Verband. Mit den Gegebenheiten im Schweizer Skisport ist er bestens vertraut. Viele der aktuellen Cracks kennt er seit geraumer Zeit. Als Individual-Coach hat er Beat Feuz bei der Rückkehr nach dessen leidiger Knie-Geschichte unterstützt.

Euphorie in der Vorbereitung

Dem Vernehmen nach hat sich die Stimmung im Speed-Team seit Brunners Installierung merklich gebessert. Brunner selber sagt, dass innerhalb der Crew hervorragend gearbeitet werde. Zuletzt konnte im US-Bundesstaat Colorado bei vorzüglichen Bedingungen trainiert werden. Und die Schweizer haben offenbar die paar Vergleiche mit anderen Nationen nicht scheuen müssen. Brunner hofft, dass seine Athleten die Euphorie aus der Vorbereitung in die Wettkämpfe mitnehmen können. Und dass sich mit wachsendem Selbstvertrauen gute Ergebnisse einstellen. Auch Brunner weiss, dass er am Schluss an den Resultaten gemessen wird.

Sollten sich in Lake Louise die Erwartungen noch nicht erfüllen, würde das Brunner nicht beunruhigen. Er sagt: «Lake Louise ist immer ein bisschen speziell. Da kann auch das Wetter entscheidend Einfluss nehmen, sodass man mit seiner Startnummer Glück oder Pech haben kann. Vielleicht wissen wir dann erst nächste Woche in Beaver Creek, wo wir wirklich stehen.»

Carlo Jankas Markenwechsel

Für Top-Klassierungen kommt bei den Schweizern in erster Linie Patrick Küng infrage. Der 30-jährige Glarner ist im vergangenen Winter zum unbestrittenen Teamleader gereift. Im Super-G von Beaver Creek feierte er seinen ersten Weltcupsieg. Einen Monat später lieferte er mit seinem Abfahrts-Triumph am Lauberhorn ein Husarenstück ab. Küng soll sich auch gegenwärtig in einer tollen Verfassung präsentieren.

Dass sie fähig sind, in den schnellen Disziplinen an der Weltspitze mitzumischen, haben auch Carlo Janka und Beat Feuz bereits bewiesen. Doch bei beiden gibt es Fragezeichen. Janka muss sich nach seinem Wechsel von Atomic zu Rossignol in unterschiedlichen Disziplinen und auf verschiedenen Schnee-Arten an neues Material gewöhnen.

Beat Feuz’ lädiertes Knie

Feuz kämpft trotz gesundheitlichen Fortschritten noch immer mit den Spätfolgen seiner gravierenden Knie-Verletzung. Dauernd ist Schonung angesagt. Und wenn er Podestplätze ins Visier nehmen will, ist der Emmentaler wohl darauf angewiesen, dass die Verhältnisse mitspielen. Diffuse Sicht und unruhige Pisten kann er nicht gebrauchen.

Auf Abschieds-Tour geht Didier Défago. Der 37-jährige Walliser, 2010 in Vancouver Abfahrts-Olympiasieger, hat angekündigt, dass er im Frühling seine Karriere beenden wird. Défago hat auch in der letzten Saison gezeigt, dass er bei günstigen Konstellationen immer für einen Exploit gut ist. In Kitzbühel verblüffte er mit dem Sieg im Super-G.

Insgesamt kamen die Schweizer Speedfahrer in der vergangenen Weltcupsaison auf vier Podestplätze (drei Siege). Dies bedeutete eine Aufwärts-Tendenz, waren sie doch im Winter davor leer ausgegangen. Aber: In der Saison 2011/12 waren es (auch dank Didier Cuche) noch 19 Podestplätze gewesen (zehn Siege).

Aus internationaler Sicht gibt es beim Speed-Auftakt prominente Abwesende oder Angeschlagene zu verzeichnen. Aksel Lund Svindal, der in Lake Louise schon sechs Weltcuprennen gewonnen hat, fällt vermutlich mit seinem Achillessehnenriss, den er sich beim Plausch-Fussball zugezogen hat, für die gesamte WM-Saison aus. Der Norweger wird somit seine Gesamtsiege in Abfahrt und Super-G nicht wiederholen können.

Lazarett mit Prominenten

Bode Miller hat sich einer Rücken-Operation unterziehen müssen, die ihn wohl bis im Januar pausieren lässt. Abfahrts-Olympiasieger Matthias Mayer kann zwar in Lake Louise antreten, an seinem Formstand sind allerdings Zweifel angebracht. Der Österreicher hat Mitte Oktober bei einem Trainingssturz einen Innenbandeinriss im rechten Knie und eine Wirbelsäulenprellung erlitten. Erst kürzlich konnte er sich wieder fit zurückmelden. Mit Super-G-Weltmeister Ted Ligety wurde ein weiterer Head-Fahrer vom Verletzungspech heimgesucht. Er zog sich in der letzten Woche eine Handverletzung zu, die eine Operation erforderte.

Erik Guay, der Abfahrts-Weltmeister von 2011, muss wegen einer Knie-Operation für seine Heim-Rennen passen. Und Christof Innerhofer schlägt sich nach wie vor mit hartnäckigen Rückenproblemen herum. Ist das die Chance für die Schweizer? Können sie in die Lücken an der Spitze vorstossen?

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