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Verkehr: Umfahrung und Beruhigung blockieren sich

Der Glarner Strassenverkehr wächst und wächst. Dies beschäftigt den Landrat, die Gemeinden und die kantonalen Stellen. Die «Südostschweiz» hat nachgefragt.

Südostschweiz
19.08.12 - 02:00 Uhr

Von Fridolin Rast

Glarus. – Was der Regierungsrat vor der Sommerpause auf das Postulat Thomas Vögeli «Verkehrsanschluss Glarus Süd» antwortete, ist kurz und bündig. «Dürftig» oder «erstaunlich kurz angesichts von 19 Unterzeichnenden» aus Glarus Süd und Glarus quer durch fast alle Parteien, nennen es Unterzeichnende.

Busbuchten, Linksabbiegespuren, möglichst keine weiteren Fussgängerstreifen und Kreisel hatten sie gefordert. «Der Antrag ist überhaupt nicht erledigt», so Hans-Rudolf Forrer. Wenn schon, dann solle der Regierungsrat doch lieber gleich sagen, dass für ihn die Umfahrung absolute Priorität habe vor Verbesserungen an der Situation auf der Kantonsstrasse.

Vier Vorhaben auf vier Tischen

Die Regierung schreibt dem Landrat in der Tat: Weil man an den Umfahrungsstrassen plane, habe man nur geprüft, ob das Vorgeschlagene zweckmässig sei. Realisierte Bushaltebuchten zählt man bei zweieinhalb Haltestellen auf, «weiter wird fallweise zu entscheiden sein», manchmal seien Bodenbesitzer am Scheitern schuld. Bei Linksabbiegespuren seien die Probleme noch akzentuierter.

Worauf die Junge SVP jüngst ein Postulat nachschob, das – auf den Hauptort Glarus fokussiert – Verbote fürs Linksabbiegen sowie Einbahnverkehr zumindest prüfen lassen will. Weil man auch dort nicht zufrieden ist mit der Antwort.

Peter Zentner, FDP-Landrat und Mitunterzeichner des ersten Postulats, urteilt gnädiger: Die vom Regierungsrat angesprochenen Schwierigkeiten seien ein Zeichen, dass man im gleichen Zug mit den Ortsumfahrungen in den Dörfern Massnahmen ergreifen müsse.

Ein Komitee aus dem Glarner Insel-Quartier will dies aber schon vorher. Es hat diese Woche einen Vorschlag präsentiert, der den Verkehr durchs Zentrum von Glarus nach «Modell Köniz» mit Tempo 30 auch auf der Hauptstrasse verflüssigen will (Ausgabe vom Mittwoch). Und die Gemeinde signalisiert, dass dies eine Kernentlastungsstrasse durchs Inselquartier – die vierte Idee – überflüssig machen könnte.

Kanton wartet auf Signale

Dem Grünen Schwänder Landrat Karl Stadler ist der Regierungsrat zu fatalistisch auf die Umfahrung fixiert: «Wenn man davon ausgeht, es gebe ein Verkehrsproblem, dann muss man vorher etwas unternehmen.» Die Vorschläge zeigten ja, dass Verbesserungen für alle Verkehrsteilnehmer schon so möglich seien – auch wenn diese die Vorteile der langsameren Fahrt nicht im Voraus sähen.

Glarus nicht zu umfahren, diene auch dem Hauptort selbst überhaupt nicht, meint Glarus-Süd-Präsident Thomas Hefti: «Es wäre raumplanerisch dumm, wenn die Umfahrungsstrasse den ganzen Verkehr in der Mitte der Gemeinde Glarus auf der Höhe ausspucken und in den Kern hinein leiten würde.» Was immer die Gemeinde Glarus im Gebiet Höhe plane, würde so kompromittiert.

«Geld für Konzepte auf Vorrat auszugeben, macht wenig Sinn», bremst der kantonale Baudirektor Röbi Marti. Sobald Ideen und ihre Umsetzung zeitlich und inhaltlich greifbar seien, könnten diese erst vertieft werden: «Der Kanton wurde bisher aber von der Gemeinde noch nicht gezielt über die Tempo-30-Initiative informiert.»

Wenn die Gemeinde dies anspreche, diskutiere man auch diesen Vorschlag, verweist Marti auf ein vereinbartes Treffen. Eine Auslegeordnung werde gemacht, sichert er zu.

Auch die Raumplaner wollen die Vorschläge seriös untersuchen, bevor sie spekulieren. Denn, so Beat Suter, der beim Büro Metron am kommunalen Richtplanentwurf mitarbeitet: «Es besteht die Gefahr, dass man zu früh Massnahmen diskutiert und darob die Ziele aus den Augen verliert.»

Einerseits suche man im kommunalen Richtplan Verkehrslösungen, die mit der Siedlungsentwicklung gekoppelt seien, anderseits müsse man die Erschliessung von Glarus Süd auch aus kantonaler Warte betrachten.

Umfahrung vs. Umgestaltung?

Der Rückbau der Ortsdurchfahrten gehöre zum Aufgabenkatalog Umfahrungen, sagt Röbi Marti. Massnahmen innerorts auch schon vor deren Realisierung zu prüfen, sei aber wahrscheinlich unvermeidbar. Denn die Gemeinde Glarus wolle Visionen verwirklichen, und dabei biete der Kanton mindestens teilweise Hand. So sei das mögliche Parking Kasernenareal bereits im kantonalen Verkehrsrichtplan. Rückbau und Umgestaltung seien zudem im Mehrjahres-Strassenbauprogramm 2010–2019 enthalten.

Thomas Heftis Veto: Wenn die Umfahrungen realisiert seien, könne jede Gemeinde die Ortsdurchfahrten umgestalten, wie sie wolle. Vorher dürfe nichts den Verkehrsfluss weiter bremsen (siehe Box).

Beat Suter warnt, es sei sicher zu früh, sich darauf zu fixieren. Das würde die Entwicklung in den drei Gemeinden blockieren. Mittel- und langfristig müsse man den Verkehr reduzieren, fordert Karl Stadler: «Umsteigen auf Verkehrsträger und Fahrzeuge, die weniger Platz brauchen.» Denn Staus seien immer auch ein Platzproblem.

Kurzfristig aber scheinen sich die Langfristoption Umfahrung und die Verflüssigung auf der Kantonsstrasse zu blockieren.

Glarus Süd. – Auch aus kantonaler Warte müsse Glarus Süd alle drei Umfahrungen bekommen, sagt Gemeindepräsident Thomas Hefti: «Die Verkehrsanbindung von Glarus Süd bleibt aktuell, bis wir für Bahn und Strasse eine Lösung haben, die dem Kanton in seinen neuen Strukturen entspricht.»

Der ganze Kanton müsse sich zur Anbindung des Südens bekennen: «Wann sie kommt, ist nicht entscheidend, entscheidend ist, was in den Köpfen an die Zukunft glauben lässt.» Dabei gehe es nicht um die Psychologie der Autofahrer, die freie Fahrt wünschen, sondern um jene der Entscheidungsträger in der Wirtschaft: «Sie müssen eine Lösung kommen sehen.» Sonst entschieden sie für Arbeitsplätze in besser erschlossenen Regionen. Laut Hefti müsse sich der Kanton die Umfahrung Glarus leisten, wenn der Bund – wie absehbar – nur die Umfahrungen von Näfels und Netstal zahle. Der Süden könne sich wirtschaftlich und touristisch nur entwickeln, wenn der Eindruck des Randgebiets verschwinde, der mit dem langen Weg durch die Dörfer verbunden sei. Solidarität sei gefragt. «Glarus Süd zeigt sich solidarisch mit seinen Opfern für die Energieversorgung», weist er auf die Riesenschneise für die Höchstspannungsleitung hin – und das Restrisiko eines Staumauerbruchs. (fra)

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