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Unter dem Radar der «Amis» hindurch in die Achtelfinals

Während die Amerikaner Roger Federer am US Open wie einen eigenen Stars-and-Stripes-Gladiator vereinnahmt haben, steht Stanislas Wawrinka fast unbemerkt in den Achtelfinals. Dort kann sich «Stan» auf ein überaus gutes Omen berufen.

Südostschweiz
01.09.14 - 02:00 Uhr

Von Jörg Allmeroth

Tennis. – Als der amerikanische Tennis-Verband Usta am Samstag vor den US Open seinen sogenannten «Media Day» veranstaltete – die üblichen Dampfplaudereien zum Start eines Grand-Slam-Wettbewerbs – da herrschte ein reges Kommen und Gehen in den Interviewsälen. Das sattsam bekannte Branchen-Establishment war da, also Leute wie Federer, Djokovic, Murray, Scharapowa oder die Williams-Schwestern. Aber auch die «Young Guns», Perspektivspieler wie Milos Raonic oder Grigor Dimitrow, die als «the next big thing» gehandelt werden.

Doch wo war eigentlich er, Stan Wawrinka, der Mann, der bei den Australian Open die gefühlt ewige Grand-Slam-Dominanz der Fabelhaften Vier durchbrochen hatte – als vielbestauntes «Stanimal»? Bei der United Tennis Association und der Spielergewerkschaft ATP weiss man es im Nachhinein auch nicht mehr so ganz genau, will das Thema auch ungern erörtern, aber symbolbeladen bleibt die Episode denn schon: Wawrinka läuft bei diesem letzten Major-Kampf der Spielzeit 2014 unter dem Radar der Öffentlichkeit hindurch, die Hauptrollen spielen andere im Big Apple.

Federers Erinnerungen

Federer sowieso, den die Amerikaner inzwischen wie einen eigenen Stars-and-Stripes-Gladiator vereinnahmt haben. Und natürlich Wuchtbrumme Serena Williams, die wie der Maestro um den 18. Grand-Slam-Titel kämpft. «Die Amerikaner interessieren sich erst mal für sich selbst und ihre Stars. Ich weiss noch, wie lange es gedauert hat, hier Beachtung zu finden», sagt Federer. Vor elf Jahren, als er hier das erste Mal triumphierte, schickte ihn sein IMG-Management vor und nach dem Turnier zur grossen Klinkenputzer-Tour, zu einem Stafettenlauf von TV-Studio zu TV-Studio.

Willkommenes Schattendasein

In den Häuserschluchten Manhattans und am Highway herüber ins National Tennis Center von Flushing Meadow werben Sponsoren wie Sportartikelausrüster auf überdimensionalen Leinwänden und Videoscreens mit den einprägsamen Gesichtern des Wanderzirkus, doch in diese Liga hat es der tüchtige Saisonaufsteiger und Weltranglisten-Vierte Wawrinka längst noch nicht geschafft. Aber man hat auch ein wenig den Eindruck, als sei dem zweiten Schweizer Weltklassespieler das zurückhaltende Interesse gar nicht einmal unrecht beim hektischen Grand-Slam-Geschäft in New York – so kann sich der 29-jährige Romand ganz den Aufgaben auf den Courts und seinem engagierten Trainingsbetrieb widmen. «Ich bin froh, dass ich nicht so viele Verpflichtungen habe. Das ging in den letzten Monaten schon manchmal an die Substanz», sagt Wawrinka. Oft sei ihm klar geworden, wie unglaublich einer wie Federer diese stetigen Anforderungen wegstecke: «Er ist der Mann, der die meisten Termine hat, die meisten Anfragen. Und hat sogar noch Spass dran. Das ist unglaublich», findet Wawrinka.

In den Achtelfinals ist Wawrinka angelangt, ohne ins Bewusstsein der Fans und Medien gerückt zu sein. Am Samstag musste er gar nicht auf den Platz schreiten, da sich sein Gegner Blaz Kavcic am Fuss verletzt hatte und nicht zu der Drittrundenpartie antrat. Und so entspinnt sich nun eine etwas verrückte Geschichte, ganz nach dem Geschmack abergläubischer Naturen: Denn schon zweimal in dieser Saison gewann Wawrinka ein Match kampflos, einmal in Monte Carlo gegen den Spanier Nicolas Almagro und ein Mal bei den Australian Open gegen den Kanadier Vasek Pospisil – und was passierte danach stets? Wawrinka holte sich den Siegerpokal. Zu allem Überdruss noch dies: Nach dem spielfreien Vorrücken in Melbourne traf er im Achtelfinal auf den Spanier Tommy Robredo – noch Fragen, gegen wen Stan, the Man, heute in New York spielt? Robredo, wer sonst.

Kohlschreibers verrücktes Dejà-vu

Ganz nebenbei: Noch ein bisschen verrückter war bisher die Täglich-grüsst-das-Murmeltier-Story zwischen dem Amerikaner John Isner und dem Deutschen Philipp Kohlschreiber. Dreimal hintereinander trafen sie von 2012 bis 2014 in der dritten Runde der US Open aufeinander, als Nummer 1 ihres Landes. Und dreimal siegte Kohlschreiber gegen den letzten Amerikaner, der noch im Turnier war – auch am Samstag triumphierte Kohlschreiber, als er trotz 42 Assen des Aufschlaggiganten Isner in die Achtelfinals vorrückte.

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