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Um Griechenland zu retten, wird es kein Tabu mehr geben

Die Staats- und Regierungschefs der EU treffen sich am Donnerstag zum Krisengipfel, denn die Schuldenkrise in Griechenland bedroht den Euro als Ganzes. Es wird immer klarer, dass ein Schuldenschnitt wohl nicht zu vermeiden ist.

Südostschweiz
19.07.11 - 02:00 Uhr

Von Gerd Höhler

Athen. – Seit 15 Monaten hält die Schuldenkrise Europa in Atem. Jetzt nähert sich das griechische Schuldendrama seinem Höhepunkt: Längst steht aber viel mehr auf dem Spiel als die Zahlungsfähigkeit Griechenlands. Die Staats- und Regierungschefs der EU, die seit Monaten herumlavieren, stehen denn auch unter einem enormen Druck: Finden sie am Donnerstag am Krisengipfel keine nachhaltige Lösung für Griechenland, könnte sich schnell ein Flächenbrand in den Schuldenstaaten entwickeln.

Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou drängt zur Eile: «Es ist an der Zeit, dass Europa aufwacht», sagte er kürzlich in einem Interview mit der Zeitung «Kathimerini». Griechenland habe in den vergangenen Monaten «schwierige, aber notwendige» Sparbeschlüsse umgesetzt; jetzt sei es an Europa, zu mutigen Entscheidungen zu kommen. Die Ungewissheit verunsichert die Finanzmärkte: Gestern stiegen die Kosten für Ausfallversicherungen griechischer Staatsanleihen auf einen neuen Rekord – die Aktienmärkte verzeichneten grosse Verluste.

Kein Geld vom Kapitalmarkt

Sicher ist, dass Griechenland nach dem Hilfspaket von 110 Milliarden Euro, das EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) im Mai 2010 geschnürt hatten, weitere Rettungskredite braucht. Denn Athen kann sich wegen der extrem hohen Risikozuschläge auf absehbare Zeit nicht am Kapitalmarkt refinanzieren. Im Gespräch sind neue Hilfskredite von bis zu 120 Milliarden Euro, mit denen das Land bis Mitte 2014 über Wasser gehalten werden könnte.

Streit gibt es allerdings um die vor allem von der deutschen Regierung geforderte Beteiligung privater Gläubiger, die neben den Steuerzahlern einen Teil der Last schultern sollen. Das könnte von den Ratingagenturen als «Kreditereignis» gewertet werden und zu einer Herabstufung Griechenlands in die Kategorie «selektiver Zahlungsausfall» führen. Die Europäische Zentralbank (EZB) will das vermeiden. Sie fürchtet, dass dann die Krise von der Euro-Peripherie auf Kernstaaten wie Spanien und Italien übergreifen könnte. Zudem könnte sie bei einem Zahlungsausfall auch griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten akzeptieren, was den völligen Zusammenbruch des griechischen Bankensystems zur Folge hätte. EZB-Chef Jean-Claude Trichet bekräftigte deshalb, er sei gegen jegliche Umschuldung Griechenlands.

Erdrückende Schuldenlast

Aber wird sich dieser Schritt vermeiden lassen? Allein mit einem weiteren milliardenschweren Hilfspaket, wie es seit Wochen diskutiert wird, ist Griechenland wahrscheinlich nicht zu retten. Die Schuldenlast droht das Land zu erdrücken. Bereits jetzt muss Griechenland rund sieben Prozent seines Bruttoinlandprodukts (BIP) für Zinsen aufwenden. Nach Berechnungen des Währungsfonds könnten Griechenlands Staatsschulden, die Ende 2010 bei 143 Prozent des BIP lagen, im nächsten Jahr auf 172 Prozent steigen. Immer mehr Fachleute plädieren daher für eine Umschuldung.

Im Gespräch sind mehrere Varianten: von einer «sanften» Lösung wie einem Angebot an private Gläubiger, ihre griechischen Anleihen gegen neue Papiere mit längeren Laufzeiten zu tauschen, bis hin zu einem radikalen Schuldenschnitt. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Griechenland mit Krediten des europäischen Rettungsschirms EFSF eigene Anleihen zu niedrigen Marktpreisen zurückkauft (Ausgabe vom Donnerstag). So könnte das Land seine Schuldenlast reduzieren.

Umdenken in Athen

Eine Umschuldung Griechenlands ist kein Tabu mehr, trotz der Warnungen der Ratingagenturen und der EZB. Auch in Athen hat ein Umdenken eingesetzt: Bisher hatte Präsident Papandreou stets versichert, Griechenland sei in der Lage, seine Schulden pünktlich und in vollem Umfang zurückzuzahlen. Nun scheint er einen Schuldenschnitt zu befürworten.

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