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Über dem Berg ist man noch nicht

Langsam lichten sich die Nebel nach dem Entscheid der Schweizerischen Nationalbank, den Franken nicht mehr künstlich zu schwächen. Eine Woche lang lag das Land in Schockstarre, der Eurokurs raste in den Keller.

Südostschweiz
28.01.15 - 01:00 Uhr

In Graubünden wurden Hotelbuchungen storniert, Hotels standen leer und wurden kurzfristig geschlossen – und das in der Hochsaison und vor dem Hintergrund einer Strukturkrise, in welcher der Tourismus schon vor dem Fall des Euro steckte. Schnee liegt in Graubünden derzeit genug, aber das nützt auch nichts.

Seit gestern ist jetzt bekannt, wie sich die Schweiz wieder Luft verschaffen will: mit Kurzarbeit. Angestellte erhalten ihren (gekürzten) Lohn von der Arbeitslosenversicherung, verlieren aber immerhin die Stelle nicht. Und Firmen verlagern fortan das Wechselkursrisiko an den Staat. Bundesrat Johann Schneider-Ammann kündigte die – in früheren Krisen schon erprobte – Massnahme zur Stützung der Schweizer Exportindustrie an.

Beim Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit rechnet man mit einer moderaten Nachfrage. Von den grossen Bündner Exportfirmen – und das ist die gute Nachricht – ist der Ruf nach Staatshilfe aber nicht zu hören. Ems-Chemie AG, Hamilton AG, Cedes AG und die Trumpf Grüsch AG wollen auf Kurzarbeit verzichten. Dem Eurozerfall sei in Graubünden nur langfristig zu begegnen, sagt Hamilton-Chef Andreas Wieland. Dagegen müsse man mit strukturellen Massnahmen antreten. Man muss exklusiver sein, weniger austauschbar, um auf dem Markt zu bestehen.

Erste, bescheidene Ansätze einer solchen Strategie sind auch im Bündner Tourismus zu sehen. Der Davoser Kongresstourismus sieht sich nach wie vor «sehr gut aufgestellt», wie es heisst. Andernorts wird die Freundlichkeitskarte – endlich! – ausgespielt und neue Angebote werden auf den Markt geworfen.

Ob das schliesslich reichen wird, um den Bündner Tourismus über den Berg zu bringen, ist fraglich. Die grossen Exportfirmen und findigen Touristiker lassen nämlich den Graben zwischen ihnen und jenen Hotelbetrieben, in denen der Gast für die Freundlichkeit noch immer extra bezahlt, nur umso deutlicher erscheinen. Dort könnte es bald kalt werden.

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