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Trotz Genehmigung wagt in Brunsbüttel niemand zu bauen

Alle Genehmigungen für den Bau eines Kohlekraftwerks in Brunsbüttel liegen vor. Doch Repower und seine Partner zögern noch mit dem Spatenstich. Zu gross ist die Gefahr, dass das Grossprojekt niemals rentieren wird.

Südostschweiz
05.01.12 - 01:00 Uhr

Von Stefan Bisculm

Poschiavo/Brunsbüttel. – An der El- be im deutschen Brunsbüttel plant das Bündner Energieunternehmen Repower zusammen mit der Südweststrom Kraftwerk GmbH den Bau von Europas grösstem Steinkohlekraftwerk. Das Vorhaben befindet sich auf Kurs – zumindest hinsichtlich Beschaffung der erforderlichen Baugenehmigungen. Seit Juni des vergangenen Jahres haben die Partner alle behördlichen Papiere in der Hand, die es für den Bau des drei Milliarden Euro teuren Kraftwerks braucht. Ende Dezember wurde ausserdem die wasserrechtliche Erlaubnis für den Betrieb des 1800-Megawatt-Kraftwerks erteilt.

Einem Baubeginn stünde also nichts mehr im Weg. Trotzdem fahren noch keine Bagger an der Elbe auf, und es ist auch höchst ungewiss, ob dies jemals passieren wird. Denn beim Energieunternehmen Repower, das mit 36 Prozent an der Projektgesellschaft beteiligt ist, und der Südweststrom Kraftwerk GmbH, die den Rest kontrolliert, glaubt unter den aktuellen Rahmenbedingungen niemand an die Rentabilität des Unternehmens. Verantwortlich hierfür ist die Energiepolitik der deutschen Regierung. Berlin setzt auf den Ausbau von erneuerbaren Energien, entsprechend düster sieht die Zukunft der fossilen Energieträger aus.

Hoffen auf Berlin

Bettina Morlok, Geschäftsführerin der Südweststrom Kraftwerke, macht dazu in der «Brunsbüttler Zeitung» eine einfache Rechnung: Aufgrund der geltenden vorrangigen Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien ins Netz könne man die geplanten 8000 Volllaststunden pro Jahr, die für den wirtschaftlichen Betrieb des Brunsbüttler Kohlekraftwerks benötigen würden, nicht mehr erreichen. «Das Kraftwerk würde nur noch zwischen 3000 und 4000 Stunden laufen», so Morlok. Auf Anfrage der «Südostschweiz» erklärte sie, dass die Südweststrom Kraftwerke nun «aktiv abwarten» wollten. Was so viel heisst wie: in Berlin lobbyieren und schauen, ob die schwarz-gelbe Bundesregierung ihr Energiekonzept demnächst so ändert, dass dabei Rahmenbedingungen entstehen, die einen rentablen Betrieb eines neuen Kohlekraftwerks in Deutschland ermöglichen.

Den Glauben an das Projekt verloren

Viele ehemalige Weggefährten der Projektgesellschaft haben ihren Glauben an das Kohlekraftwerk jedoch schon längst verloren. Das Unternehmen erinnert in vielem an ein untergehendes Schiff, dessen Besatzung sich in Sicherheit bringt. So sind von den ursprünglich rund 100 Teilhabern, die sich zur Südweststrom Kraftwerk GmbH zusammengeschlossen hatten, heute nur noch 70 übrig geblieben. Abgesprungen ist kürzlich auch der bisherige Geschäftsführer des Kraftwerkkonsortiums, Hakan Yapici. Eigentlich war der gebürtige Türke an die Elbe gezogen, um ein modernes Kohlekraftwerk zu bauen. Doch seit Anfang dieses Jahres hat er einen neuen Job: als Geschäftsführer eines Logistikunternehmens in Brunsbüttel.

Die Zeit wird knapp

Derweil bleibt Repower beharrlich im Brunsbüttler Kohlekraft-Boot sitzen. «Es ist nicht der Zeitpunkt für Beschlüsse», sagte Mediensprecher Werner Steinmann. «Wir brauchen zuerst grössere Klarheit über die Rahmenbedingungen, danach werden wir nüchtern entscheiden.»

Repower und seine Partner wollen bis im Herbst beschliessen, ob das Milliardenprojekt weiterverfolgt wird oder nicht. Einfluss auf diese Entscheidung werden auch noch hängige Klagen haben, die zwei Umweltschutzorganisationen gegen das Teilgenehmigungsverfahren und die Emissionsgenehmigung eingereicht haben.

Repower verfolgt in Saline Joniche (Kalabrien) ebenfalls ein grosses Kohlekraftwerkprojekt. Auch dieses steht auf der Kippe. Umweltschützer sowie lokale und regionale Politiker bekämpfen das Vorhaben vehement.

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