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Tricksen bei der Raumplanung?

Mit der Revision des Raumplanungsgesetzes drohen in ländlichen Kantonen massive Rückzonungen. Um den Wertverlust von Grundstücken abzufedern, steht ein neues Allerheilsmittel im Raum: die Reservezone.

Südostschweiz
22.01.13 - 01:00 Uhr

Von Anna Wanner

Bern. – Den Gegnern des Raumplanungsgesetzes bereitet die Verkleinerung der Bauzonen wohl am meisten Bauchschmerzen. Bauzone wird zu Landwirtschaftszone und droht dadurch, an Wert zu verlieren. Die Befürworter der Gesetzesrevision versuchen zu beschwichtigen: Nur wenn Gemeinden in den letzten Jahren kaum gewachsen sind oder Bauzonen zu grosszügig ausgesteckt haben, müssen sie nach Annahme des neuen Gesetzes das Land rückzonen. Betroffen sind ländliche Kantone wie Waadt, Freiburg oder Jura. Die stärksten Einschnitte drohen im Wallis, wo auch am lautesten gegen die neuen Bestimmungen rebelliert wird.

Der Walliser CVP-Ständerat René Imoberdorf räumt zwar ein, dass mit der grosszügigen Einzonung von Bauland in der Vergangenheit Fehler gemacht worden seien. Hingegen finde man die Zersiedelung, die im Mittelland grassiere, im Wallis nicht. Das Raumplanungsgesetz richte sich nicht nur an die Falschen, es fordere von den Walliser Gemeinden geradezu Unmögliches: «Fast jeder Walliser besitzt in seiner Gemeinde ein Stück Land», sagt Imoberdorf. Jetzt müsse man zurückzonen, könne aber nicht gleichzeitig die einen verschonen und die anderen nicht.

Allerheilmittel Reservezone

Politiker, die das Raumplanungsgesetz unterstützen, sind sich der Problematik weitgehend bewusst. Immer wieder streuen sie in Nebensätzen ein: Falls die Rückzonung zu finanziellen Problemen führe, dann stehe immer noch die Option offen, Bauland in Reservezonen überzuführen.

Die Zürcher GLP-Ständerätin Verena Diener erwähnte diese Möglichkeit an der Pressekonferenz des bürgerlichen Pro-Komitees vom vergangenen Freitag. Konrad Graber, der Luzerner CVP-Ständerat, erklärte am selben Anlass, mit den Reservezonen hätten die Kantone eine Möglich- keit, Land aus der Bauzone herauszunehmen, ohne es definitiv auszuzonen. Auch CVP-Bundesrätin Doris Leuthard versuchte die Walliser Sektion ihrer Partei an der Delegiertenversammlung vom Samstag vom Gesetz zu überzeugen, indem sie vorschlug, Reservezonen zu schaffen.

Rückzonungen einfach umgehen

Reservezonen sind gesetzlich nicht definiert. Gemäss Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) sieht das Bundesgesetz über die Raumplanung von 1979 grundsätzlich vier Zonentypen vor: Bau-, Landwirtschafts-, Schutz und weitere Zonen. Einige Kantone wie etwa Graubünden haben die Reservezone eigenmächtig eingeführt. In Graubünden heissen sie «Zonen für künftige bauliche Nutzung». Die Idee dahinter: Weil schon 1980 Bauland zurückgezont werden musste, habe man versucht, mit den Reservezonen den Wertverlust der Grundstücke abzufedern, erklärt Carlo Decurtins, Jurist Raumplanung des Kantons Graubünden.

Laut ARE wird die Reservezone dann zur Option, wenn sich abzeichnet, dass das betreffende Stück Land in einer übernächsten Etappe allenfalls für Bauten benötigt wird. Dieses Land sei zwar kein Bauland, aber gegenüber der Landwirtschaftszone privilegiert. Das zur Reservezone rückgezonte Land verliert weniger an Wert, weil es längerfristig als Bauzone reaktiviert werden kann.

Die Betroffenen äussern sich skeptisch gegenüber der Reservezone. Der Walliser Ständerat Imoberdorf vermutet dahinter eine «Alibi-Übung». Er sagt, am Ende bedeute es das Gleiche wie Auszonung. Der Bündner Decurtins empfiehlt, eher das Entschädigungsgeld zu nehmen – für eine Reservezone gebe es keine Garantie.

Entschädigung als Alternative

Doch «Geld nehmen» ist nicht immer eine mögliche Alternative:. Nicht bei jedem Stück Land sei eine Entschädigungspflicht gegeben, sagt Daniel Wachter, Chef der Sektion Nachhaltige Etwicklung beim ARE. Das hänge vom Einzelfall ab. «Bei stark überdimensionierten Bauzonen, die nicht erschlossen sind und mit geringer Wahrscheinlichkeit aus eigener Kraft durch den Eigentümer überbaut werden könnten, ist gemäss Bundesgerichtspraxis offen, ob eine Entschädigung zu leisten ist», so Wachter.

Das neue Raumplanungsgesetz soll die Zersiedlung in der Schweiz bremsen: Gemeinden und Kantone sind aufgefordert, die Bauzonen weniger grosszügig anzulegen: Sie sollen sich am Bedarf für die nächsten 15 Jahre orientieren. Das hat in Gemeinden mit grossen Baulandreserven Rückzonungen zur Folge. Die Umzonung bewirkt nicht nur einen möglichen Wertzerfall des Grundstücks. Die Gemeinden müssen fortan den bebaubaren Raum besser ausnutzen und verdichteter bauen.

Umstritten an der Vorlage ist neben den Rückzonungen auch die Mehrwertabgabe: Wenn eine Gemeinde stark wächst und ihr Bedarf an Bauland steigt, kann sie Neueinzonungen vornehmen. Für das eingezonte Bauland muss eine Mehrwertabgabe entrichtet werden, die seinerseits Rückzonungen andernorts entschädigen soll. (so)

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