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Top und Flop mit Gratis-ÖV

Der Vorstoss «Standseilbahn nach Braunwald für jedermann kostenlos» ist im Glarnerland nicht ganz neu. Gratis-ÖV war bereits an der Landsgemeinde 2010 traktandiert.

Südostschweiz
13.04.14 - 02:00 Uhr

Zahlreiche Gratis-ÖV-Versuche haben nie weiter als bis zu vorübergehendem Erfolg geführt

Von Brigitte Tiefenauer

Damals als Antrag, «den öffentlichen Verkehr im ganzen Kanton kostenlos» anzubieten. Eine Mehrheit der Stimmenden fand jedoch, ein funktionierender ÖV brauche keinen Nulltarif, sondern ein gutes Angebot, ein einfaches Tarifsystem sowie hohe Qualität und Pünktlichkeit.

<strong>Mit dieser Erkenntnis</strong> sind die Glarner im In- und Ausland in guter Gesellschaft. Was von aussen top erscheint, hat sich, wenn nicht schon vor, dann spätestens bei der Umsetzung praktisch durchs Band als Flop erwiesen. Der Landrat zeigt im Landsgemeindememorial diverse Beispiele auf:

1969 wird in Basel die Volksinitiative «Gratisdrämmli nämmli» eingereicht, in der Volksabstimmung 1972 jedoch bachab geschickt. Damit einhergehenden Proteste bringen immerhin günstigere Abos als Vorläufer der späteren Umwelt-Abos.

1988 führt das Fürstentum Liechtenstein ein Nulltarif-Jahr durch. Die Bilanz: Stolze 45 Prozent mehr Freizeitfahrten, aber nur 2 Prozent mehr Berufspendler. Nach dem Versuchsjahr wird der Nulltarif durch ein vereinfachtes Tarifsystem ersetzt.

1986 lehnt der Kanton Zug in einer Volksabstimmung den Nulltarif ab. Mit einer Motion der SP und einer Interpellation der CVP wird das Anliegen 2009 erneut vorgebracht. Es kann die politischen Hürden aber nicht überwinden.

2004 will Le Locle den Gratis-ÖV probeweise einführen. Das Stimmvolk lehnt die Initiative mit 74 Prozent ab.

2004 verlangt eine im Stadtrat von Luzern eingereichte Motion, den Öffentlichen Verkehr mit einem teilweisen bis vollumfänglichen Gratisbus-Angebot zu stärken und die negativen Auswirkungen des Individualverkehrs zu reduzieren. Der Stadtrat lehnt die Motion ab. Der Nulltarif reduziere den motorisierten Individualverkehrs kaum, so seine Einschätzung.

In Genf verwerfen die Stimmberechtigten im Februar 2008 die Initiative «TPG gratuis» deutlich. Keine Chance hat auch die «Carte multimodale», welche die Gesamtheit aller Verkehrsmodi berücksichtigt hätte.

In Zürich wird vor einigen Jahren ein politischer Vorstoss, den Gratis-ÖV bei ungünstigen Ozonlagen umzusetzen, ebenfalls abgelehnt. Die Regierung begründet den Entscheid mit der wohl beschränkten Wirkung und den Kosten.

Die Stadt Hasselt (Belgien) bietet 1997 bis 2013 den unentgeltlichen öffentlichen Personennahverkehr mit Omnibussen. Die Fahrgastfrequenzen nehmen um schwindelerregende 1300 Prozent zu, aber lediglich 20 Prozent der neuen Fahrgäste sind Umsteiger vom Auto auf den ÖV. Der Stadtrat will aber, «wegen massiver Kostensteigerungen» wieder Fahrausweise einführen.

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