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Tödliches Dilemma

«Nie wieder», hatte es aus den Staatskanzleien ganz Europas getönt, als im Oktober 2013 vor Lampedusa ein Flüchtlingsboot in Flammen aufging und 366 Männer, Frauen und Kinder verbrannten oder ertranken.

Südostschweiz
16.09.14 - 02:00 Uhr

Von Dominik Straub

Ein knappes Jahr später ist es nun doch wieder passiert – wahrscheinlich mit doppelt so vielen Toten. Bezeichnenderweise herrscht heute in den Regierungszentralen eher betretenes Schweigen. Denn wirklich reagiert hat niemand auf das Massensterben. Ausser Italien: Für die Aktion Mare Nostrum gab es vordergründig viel Lob und hinter den Kulissen noch mehr Kritik: Sie sollen es, riet man den Italienern in Brüssel, mit der Rettungsaktion mal nicht übertreiben. Denn sonst kämen nur noch mehr Migranten nach Europa.

Die Aktion Mare Nostrum hat das Dilemma der «Festung Europa» in aller Deutlichkeit aufgezeigt: Zwar wäre die Rettung und Aufnahme schiffbrüchiger Migranten und Kriegsflüchtlinge ein moralischer und humanitärer Imperativ. Das angesichts steigender Asylzahlen in ganz Europa festzustellende Erstarken fremdenfeindlicher Parteien belegt andererseits, wie gering die Aufnahmebereitschaft geworden ist.

Nun ist Italien – wenig überraschend – die kostspielige Aktion Mare Nostrum verleidet: Sie wird im November voraussichtlich eingestellt. Das Mittelmeer wird wieder ganz den Schlepperbanden überlassen – daran wird auch das reichlich nebulöse Frontex Plus der EU nicht viel ändern. Die Folgen sind absehbar: Die Zahl der Flüchtlinge, die im Mittelmeer sterben, wird weiter ansteigen. Sie sind es, die den Preis für unser Dilemma bezahlen.

zentralredaktion@suedostschweiz.ch

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