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Streit um den «olympischen Frauenmangel»

Eine Kommunikationsfachfrau erhebt Vorwürfe gegen die Olympiapromotoren: Sie würden Frauen aus ihren Reihen ausschliessen, obwohl sie die weiblichen Stimmen nötig hätten.

Südostschweiz
20.02.13 - 01:00 Uhr

Von Andrea Fopp

Chur. – Vreni Schneider ist ein Frau, und Frauen sind per Definition keine Machos. Dennoch hat sie «Südostschweiz»-Leserin Anna Stierli verärgert. Mütter müssten für Olympia sein, dann sähen sie hübsche Sportler und kämen aus ihren vier Wänden raus, hatte die ehemalige Skirennfahrerin nämlich gesagt, im Scherz, wie sie betont (Ausgabe vom Freitag). Stierli schrieb daraufhin in einem Leserbrief, ein Mann mit solchen Argumenten müsste sich Vorwürfe von wegen sexistisch und Machogehabe gefallen lassen (Ausgabe vom Samstag).

«Hinterwäldlerischer Geist»

Vorwürfe ähnlicher Art macht auch die Kommunikationsfachfrau Claudia Hutter, aber gegenüber den Männern in der Olympiaorganisation Graubünden 2022. «Da herrscht ein hinterwäldlerischer Geist», sagt sie. Die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Demoscope hatte ergeben, dass satte 47 Prozent der weiblichen Stimmbevölkerung gegen die Winterspiele 2022 seien, bei den Männern sind es nur 38 Prozent. «Kein Wunder», sagt Hutter. Frauen im Verein dürften an Podiumsdiskussionen nur Pommes Chips servieren. «Auf der Bühne oben haben sie nichts zu melden.»

Hutter spricht ein Foto an, welche die Promotoren auf ihrer Facebook-Seite «OlympJa2022» gepostet haben. In der Mitte stehen SVP-Nationalrat Heinz Brand und Bundesrat Ueli Maurer in Anzügen. Rechts und links werden sie flankiert von vier Frauen in Schürzen mit dem OlympJa-Logo. Entstanden ist das Foto an einem Anlass in Jenaz im Januar. Laut Yvonne Hartmann, einer der Schürzenträgerinnen, hätten alle im Service Schürzen an. Auch der Mann im Team, er sei einfach nicht auf dem Bild. Für Hutter ist das Foto symbolisch für die Rolle der Frauen im Verein. «Sie werden abgeblockt.»

Damit meint Hutter auch sich selber. Sie hatte als selbstständige Kommunikationsfachfrau im Frühling 2011 das Kandidatur-Dossier für Swiss Olympic sprachlich ausgearbeitet und Medienmitteilungen verfasst. Danach sei sie nicht mehr gefragt worden, obwohl sie immer wieder ihre Dienste anbot. Das sei kein Zufall. «Männer nehmen Männer, die sie kennen.» Für die Kampagne sei das schlecht. «Ich hätte eine weibliche Seite eingebracht», sagt Hutter, «zum Beispiel mehr Frauen aus der Wirtschaft eingespannt oder mehr Plakate von Sportlerinnen aufgehängt.»

Spricht da nicht einfach eine Geschäftsfrau, die einem verlorenen Auftrag hinterhertrauert? «Es geht mir nicht um mich», sagt Hutter. Genau wie die Frauen in der Wirtschaft ausgeschlossen würden, passiere das im Verein Graubünden 2022. «In einem Kanton mit einer solch rückständigen Geisteshaltung sehe ich für meine Töchter keine gute Zukunft.»

Geschlecht habe keine Rolle gespielt

Im achtköpfigen Vorstand von Graubünden 2022 hat es mit Sandra Felix nur eine Frau. Hinzu kommen mit Mediensprecher Christian Gartmann und Kampagnenchef und Leiter Spitzensport bei Swiss Olympic, Gian Gilli, zwei prominente Männer.

Gilli sagt, es sei im Verein nicht auf das Geschlecht angekommen. «Wir wollten kompetente Leute.» Bei der Zusammensetzung des Teams habe er auf seine Netzwerke von Swiss Olympic zurückgegriffen. «Es ist so, dass der Sport immer noch eine Männerbastion ist.»

«Dass Hutter nicht engagiert wurde, hat nichts mit ihrem Geschlecht zu tun, sondern damit, dass das Kommunikationsteam bereits komplett war», so Gartmann. Ein Team, das notabene aus 50 Prozent Frauen bestehe und eine Frau zum Olympiagesicht gemacht habe; Snowboarderin Ursina Haller ziert den Flyer des Komitees.

Im Unterstützungskomitee gibt es 40 Frauen. Eine davon ist Ariane Ehrat. Die Geschäftsführerin der Tourismusorganisation Engadin St. Moritz fühlt sich gut eingebettet, wie sie sagt. In den letzten Wochen sei sie ständig als Teilnehmerin auf Podien oder als Referentin unterwegs gewesen. «Noch mehr Auftritte wären zeitlich nicht dringelegen nebst der Arbeit», sagt sie.

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