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Stoffeln

Ein armer Stoffel ist eigentlich ein etwas unbeholfener Mensch, der durch die Welt stolpert oder eben stoffelt. Eigentlich «an arma Siach». Nicht aber in Graubünden:

Südostschweiz
18.03.12 - 01:00 Uhr

Da wirds zu einer positiven Wortumdeutung. Einer, der «stoffelt», ist ein «Sibasiach», der nur mit grossen Nullen dealt und alle Nullen einpackt … Und «stoffeln» dürfte also neu im Wörterbuch als «Mit Geld pack ich alle ein …» umschrieben werden … Ob der Dicziunari Rumantsch das Wort auch aufnimmt, ist nur eine Frage der Zeit. In Vals wurde sogar überlegt, ob es nicht auch noch zur Heizung eines Mehrzweckgebäudes genutzt werden könnte. Schliesslich wurden damit schon einige erfolgreich verheizt. In Graubünden fällt auf jeden Fall auf, dass das Wort in mancher Klatschrunde verwendet wird. Das böse Unterländer-Magazin «Bilanz» versuchte es auszumerzen, muss jetzt aber auf einige Gerichtsurteile warten. So stossend soll «stoffeln» offenbar nicht sein, meinen viele Bündner Strippenzieher, die biedermännisch lieber nicht über ihre Geschäfte reden.

«Stoffeln» ist ein hippes Wort. Ein richtiger Bringer, würden die Twens sagen. Auf jeden Fall hat sich rumgesprochen, dass man durch die Welt stoffeln kann und nichts ahnend plötzlich reich wird. So gehts vielen, die in Graubünden mit dem neuen Wunderwort zu tun haben. Ganze Kohorten von Abhängigen, Anwälten, Regierungsräten und Wirtschaftsförderern sind engagiert, laufen wortgewaltig und hechelnd herum und hoffen auf den grossen Reibach. Aus diesem Bach wird viel Energie erzeugt – nein, natürlich keine kriminelle. Von Pontresina, Chur bis Lenzerheide und Vals. Viele denken dann halt nur an den Stoff: wie Fixer. Der Stoff, aus dem die Träume sind.

Kleinere Kavaliersdelikte sind dann vielleicht als Kollateral-Kratzer zu entschuldigen. Es geht ja ums Wohl einer grossen Gemeinschaft. Sogar die Rechtschreibung dürfte geändert werden. Wird «stoffeln» ein neues Wort im Duden? Wie man wöchentlich lernt, gibts immer wieder neue Befürworter. Seit der Valser Gemeindeversammlung ists nun auch die Facebook-Generation. Zum Wort des Jahres in Graubünden dürfte es aber schon reichen. Immer noch besser als «Döner-Mord» – das deutsche Unwort des Jahres 2011 – und bedeutend ungefährlicher, schliesslich gehts hier höchstens um nicht viel mehr als viel Geld. Da kann man dann schon mal unschuldig in was reinstoffeln.

Hansruedi Schiesser ist Inhaber der Agentur schiessers.concepts/Projektentwicklungen. Schiessers Blog: www.schiessersconcepts.ch

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