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Stille Aussenseiter unter Metal-Getöse

Sie starten zwar im Schatten der Schochs. Doch die beiden Bündner Kaspar Flütsch und vor allem Nevin Galmarini sind in den alpinen Snowboard- Bewerben trotz Aussenseiter- rollen nicht zu verachten.

Südostschweiz
19.02.14 - 01:00 Uhr

Von Kristian Kapp

Krasnaja Poljana. – Iouri Podladtchikov sei Dank. Die Snowboarder erleben einen weiteren Boom. Vorausgesetzt, sie gehören der richtigen Sparte an. «Freestyle ist im Moment trendiger», sagt Nevin Galmarini. Der Engadiner liegt nicht im Trend. Er steht heute im Rosa Chutor Extreme Park im Parallel-Riesenslalom und am Samstag im Slalom am Start. Doch das stört Galmarini nicht. Wie sein Bündner Teamkollege, der Prättigauer Kaspar Flütsch, ist er klassischer Alpinfahrer aus Leidenschaft. Judges, die die Leistung mit Noten bewerten? Für beide ein Graus. «Bei uns zählt, wer zuerst unten ist», sagt Flütsch. Da fühle er sich wohler. Auch Galmarini, der den legendären deutschen Fussballer Oli Kahn zitierend noch einen weiteren Grund liefert: «In der Pipe, aber auch im Slopestyle brauchst du ‘Eier’.» Die habe er nicht, scherzt er. «Und ich wäre auch viel zu schlecht.»

Der Dank an die Schochs

Der Rummel bleibt Flütsch und Galmarini in Sotschi vorerst erspart. Sie sind selbst innerhalb ihrer «Randsportart» Randfiguren. Am Medientermin der Alpin-Boarder dreht sich alles um die Schoch-Brüder, die in Russland nach grossen Karrieren beide ihre Abschiedsvorstellungen geben. Das ist Flütsch recht: «Ich lebe gut als Aussenseiter. Ich konnte mich hier bislang ungestört bewegen, niemand interessierte sich für mich.» Galmarini erlebte ähnliches, als er erstmals auf Weltcup-Niveau fahren durfte: «Ich bin den Schochs dankbar. Sie nahmen mir damals den Druck.»

Die beiden Bündner können in Sotschi aus dem Schatten der Schochs fahren. Vor allem Galmarini: Er war diese Saison mit drei sechsten und einem fünften Rang der konstanteste Schweizer. Dies macht ihn indes nur bedingt glücklich: «Ich war wie letzte Saison Gesamtfünfter, aber nicht dank Spitzenresultaten. Ich sage das mit Respekt, aber ich habe diese fünften und sechsten Ränge satt. Es ist Olympia. Hier zählen Medaillen.» Flütsch spricht zwar nicht direkt von Gold, Silber oder Bronze: «Aber jeder Sportler, der sagt, er sei nur zum Mitmachen gekommen, hat etwas falsch gemacht. Träumen darf man.»

Laute Klänge in Sotschi

Galmarini, bereits in Vancouver dabei, hat für Sotschi alles auf die Karte Sport gesetzt. Erstmals ist er als Profi unterwegs. Doch seine Sponsorenverträge laufen aus. «Es hängt für mich sehr viel von meinen Resultaten hier ab», sagt er. Flütsch ist Olympia-Rookie und hat einen drei Jahre langen Prozess hinter sich: «Ich habe mich dabei zu einem sichereren Fahrer entwickelt.» Früher sei er ein «Haudegen» zwischen Topresultaten und dem Ausscheiden gewesen: «Ich wollte mit dem Kopf durch die Wand.» Die mässigen Resultate zu Saisonbeginn hätten ihn nicht beunruhigt: «In den Trainings lief es stets gut.» Die Bestätigung erhielt er mit Platz 4 im ersten Rennen nach der fixen Qualifikation für Sotschi: «Der Druck war weg. Ich konnte endlich umsetzen, was ich kann.»

Alles halb so schlimm

Beide sind bemüht, Olympia als normalen Wettkampf zu betrachten. Dies gelinge immer besser, sagt Flütsch. Vor der Abreise sei er nervöser gewesen: «Alle sprachen davon, wie extrem es in Vancouver war, wie extrem es hier werde.» Nun sei alles halb so schlimm. Galmarini gönnte sich vor dem Abflug einen speziellen Tag im Schnee: «Ich fuhr nur für mich, mit meiner Musik. Das gab mir ein gutes Gefühl.» Seine Musik, das sind Metal-Klänge: «Amon Amarth, Stone Sour, aber auch Black oder Death Metal», erzählt Galmarini schmunzelnd. Dass in Sotschi auf Olympiaboden Liebhaber des Hartmetalls äusserst auf ihre Kosten kommen, freut ihn umso mehr: «Beim Super G der Frauen kam die ganze Zeit Dimmu Borgir, Iron Maiden, Metallica oder AC/DC. Der Hammer!»

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