×

«Ständerats-Kandidaten fallen leider nicht vom Himmel»

Hals über Kopf musste Jörg Frei aus Eschenbach für seine CVP einen Ständeratskandidaten aus dem Hut zaubern. Im Gespräch erklärt der kantonale Parteipräsident, warum der Quereinsteiger Michael Hüppi aus seiner Sicht wählbar ist.

Südostschweiz
26.10.11 - 02:00 Uhr

Mit Jörg Frei sprach Marc Allemann

Jörg Frei, die CVP versucht mit Politik-Neuling Michael Hüppi in den Ständerat zu kommen. Haben Sie keine besseren Kandidaten?

Jörg Frei: Kennen Sie einen Besseren? Michael Hüppi ist ein ausgezeichneter Kandidat. Er ist sehr bekannt, vertritt die Wirtschaft und die politische Mitte. Hüppi kann eine breite Bevölkerungsschicht ansprechen.

Im Linthgebiet kennt ihn kaum jemand.

Hüppi ist im Linthgebiet kein Unbekannter, auch wenn er in der Stadt St. Gallen natürlich berühmter ist. Und wir werden ihn in den nächsten fünf Wochen auch im Linthgebiet noch bekannter machen. Der Wahlkampf geht bereits wieder los.

Die CVP brauchte gestern geschlagene vier Stunden, bis ein neuer Kandidat feststand. Was dauerte so lange?

Wir sind zuerst mit Finanzdirektor Martin Gehrer übereingekommen, dass er nicht kandidiert. Es ist für ihn zu früh, um aus der Kantonsregierung auszuscheiden. Wir hatten dann noch drei Kandidaten in der engeren Auswahl. Dazu kam: Die SP teilte uns erst spät am Abend mit, dass Paul Rechsteiner nochmals kandidieren wird.

«Davids Absage kam unerwartet»

Waren Sie darauf vorbereitet, dass Eugen David das nach dem ersten Wahlgang das Handtuch werfen könnte?

Wir waren nicht wirklich unvorbereitet. Aber Eugen David hat nie angedeutet, dass er aus dem Rennen ausscheiden könnte. Wir hatten ausserdem keinen Ersatzkandidaten in der Hinterhand.

Martin Gehrer wurde ins Spiel gebracht, obwohl er gar nicht kandidieren wollte. Vorbereitet waren Sie nicht.

Ich bin davon ausgegangen, dass wir mit Eugen David einen zweiten Wahlgang bestreiten werden.

David hat trotz einem Bisherigen-Bonus schlecht abgeschnitten. Hätte die CVP von Anfang an ein neues Gesicht portieren sollen?

Rückblickend wäre das sicher besser gewesen. In einer ruhigen Minute werden wir Eugen Davids Abschneiden analysieren müssen. Ich glaube aber immer noch, dass wir richtig entschieden haben: David ist ein profilierter Kopf, der viel erreicht hat. Das Resultat war nicht voraussehbar.

Er hat es nicht geschafft, über die Parteigrenzen hinaus Stimmen zu holen.

Wahrscheinlich stimmt das. Dies ist ein Novum für Eugen David. Bis anhin galt er als Brückenbauer. Wie gesagt, wir sind überrascht.

Hätte die CVP ihren Sitz nun nicht der SP opfern sollen? Vor vier Jahren trat die SP-Kandidatin ja den Bürgerlichen zuliebe zurück.

Regierungsrätin Kathrin Hilber zog ihre Kandidatur zurück, weil sie einsah, dass sie chancenlos war. Die SP hätte dann nur Toni Brunner den Weg in den Ständerat geebnet.

Dieses Mal tritt SP-Schwergewicht Paul Rechsteiner an. Wäre nicht die CVP an der Reihe, ein Opfer zu bringen?

Toni Brunner zu verhindern ist nicht unser Hauptziel. Wir wollen im Ständerat eine konstruktive Mittepolitik vertreten. Zusammen mit der FDP haben wir eine ‘ungeteilte’ Standesstimme. Seit Jahrzehnten prägen wir zusammen mit der FDP die politische Landschaft.

Toni Brunner oder Paul Rechsteiner würden doch auch einen Teil der St. Galler Bevölkerung vertreten?

Rechsteiner politisiert am äussersten Rand des linken Spektrums. Er wird im zweiten Wahlgang nicht zulegen. Brunner ist am rechten Rand angesiedelt und vertritt nur rund 30 Prozent der St. Galler. Es ist unsere Aufgabe, vernünftige Mittepolitiker zu stellen.

«Ich hoffe, die FDP unterstützt uns»

Ohne Unterstützung der anderen Mitteparteien wird Hüppi wahrscheinlich nicht gewählt. Wird die CVP Flankenschutz bekommen?

Ich habe von den Mitteparteien positive Signale erhalten. Besonders für die FDP sollte Michael Hüppi ein wählbarer Kandidat sein. Ich hoffe auf eine breite Unterstützung.

Ein Ständerat soll den Kanton vertreten. Bei Hüppi weiss niemand, was er vertritt.

Das stimmt nicht. Hüppi ist Rechtsanwalt, ein Mann aus der Wirtschaft. Er leistet in Verwaltungsräten gute Arbeit.

Sie hatten Mühe, einen Ersatzkandidaten zu finden. Fehlt es an Leuchtfiguren?

Ständeräte fallen nicht vom Himmel. Es werden für dieses Amt immer nur wenige Personen in Frage kommen.

Seit beinahe hundert Jahren stellt die CVP St. Gallen immer einen Ständerat. Was wären die Konsequenzen bei einem Sitzverlust?

Wir werden dafür kämpfen, dass wir den Sitz nicht verlieren. Unsere Chancen sind intakt. Sie wären natürlich grösser, wenn Rechsteiner nicht Steigbügelhalter für die SVP spielen würde. Die Konsequenz bei einem Sitzverlust wäre, dass die St. Galler Ständeräte oft nicht gleich abstimmen würden. Unsere Standesstimmen würden sich dann gegenseitig neutralisieren, was unglaublich schade für den Kanton wäre.

Ihr Job ist dieser Tage sehr stressig. Fühlen Sie sich ihm gewachsen?

Die CVP St. Gallen konnte den verlorenen Nationalratssitz wieder zurückgewinnen. Das Präsidium ist ein reines Ehrenamt. In stressigen Zeiten wie diesen kommt man manchmal an Grenzen. Das gehört zum Amt. Ich habe aber nach wie vor Freude an meiner Aufgabe.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR