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Skandalspiel mit lauter Verlierern

Nach dem abgebrochenen Skandalspiel in der EM-Qualifikation zwischen Serbien und Albanien bleiben beide Equipen ohne Punkte und müssen sich als Verlierer fühlen. Albanien kündigt Berufung an.

Südostschweiz
25.10.14 - 02:00 Uhr

Von Thomas Roser

Fussball. – Wenn sich zwei streiten, freut sich am Ende oft nur deren Konkurrenz. «Mit dieser Entscheidung haben wir keine Gerechtigkeit erhalten», jammerte gestern Albaniens italienischer Fussballnationaltrainer Giovanni de Biasi. Er fuhr fort: «Uns wurde genommen, was wir auf dem Feld errungen haben.» Freude kam trotz der 3:0-Wertung des abgebrochenen Skandalspiels gegen Albanien auch beim vermeintlichen Sieger Serbien wegen des gleichzeitigen Punktabzugs keine auf. «Serbien hart bestraft, und die Albaner beklagen sich!», titelte nach Bekanntgabe des Urteils empört die Internetseite des Boulevardblatts «Kurir».

Tatsächlich müssen sich bei den nun verhängten Sanktionen des europäischen Verbandes Uefa beide Seiten als Verlierer des abgebrochenen Trauerspiels am Dienstag vergangener Woche in Belgrad fühlen. Eine ferngesteuerte Drohne mit einer grossalbanischen Fahne im Schlepptau hatte in der 41. Minute heftige Schlägereien und den Abbruch des bis dahin torlosen Spiels ausgelöst: Die in ihre Kabinen geflüchteten Albaner weigerten sich, im Hooligan-Tollhaus des Belgrader Partizan-Stadions noch weiterzuspielen. Verbandsfunktionäre und Würdenträger beider Seiten gossen hernach noch kräftig Öl ins Feuer: Sowohl in Serbien als auch in den albanischen Regionen des Kosovo gingen hernach nicht nur Flaggen, sondern auch Häuser der jeweiligen Minderheit in Flammen auf.

Die nun von der Uefa verhängten Sanktionen treffen Serbien und Albanien gleichermassen. Das ist trist für den Sport: Doch den eingebrockten Schaden haben sich die Beteiligten selbst zuzuschreiben.

Beide verlieren

Die Geldstrafe von jeweils 120 000 Franken dürften die beiden Fussballverbände wohl noch am leichtesten verkraften. Wegen des gleichzeitigen Punktabzugs ist der offizielle 3:0-Erfolg für Gastgeber Serbien jedoch ein Pyrrhussieg ohne jeglichen Wert. Wegen der katastrophalen Sicherheitsvorkehrungen und Ausschreitungen in den vergangenen Jahren muss Serbien die nächsten Heimspiele gegen Dänemark und Armenien ohne Publikum bestreiten: Mit nur einem Punkt aus zwei Spielen haben sich die EM-Aussichten der Truppe damit schon früh auf ein Minimum reduziert.

Traumstart empfindlich gebremst

Für Albaniens Fussballverband wiederum hat sich wohl vor allem die ausbleibende Distanzierung von dem zunächst verteidigten Drohnenstreich als fatal erwiesen. Mit einem überraschenden Auswärtssieg in Portugal und einem Unentschieden gegen Dänemark war das Team von Kapitän Lorik Cana (31/Lazio Rom) so gut wie nie zuvor in die Qualifikation für ein grosses Turnier gestartet: An einem Spielabbruch hatten die Albaner als Tabellenführer der Qualifikationsgruppe I eigentlich das geringste Interesse.

Die Uefa-Strafe hätten der Gerechtigkeit keinerlei Genüge getan, klagte gestern nach Bekanntgabe des Urteils Albaniens Premier Edi Rama. Nach dem Punktverlust am grünen Tisch kündigte Albaniens Fussballverband FShF denn auch erwartungsgemäss umgehend Revision gegen das Uefa-Urteil an. Er sagte: «Wir sind nicht zufrieden und legen Berufung ein. Unser gerechter Kampf geht weiter. Unsere Argumente sind stärker, wir verdienen drei Punkte.» Von einer «politischen Entscheidung zugunsten Serbiens» sprach empört Fadil Vokrri, der Präsident des Fussballverbands in Kosovo: «Die albanischen Spieler wurden angegriffen. Diese Entscheidung ist ein Skandal.»

Beschuldigungen, wer die Drohne gesteuert und in Marsch gesetzt haben soll, gibt es zwar von beiden Seiten genug, doch es fehlen bislang Beweise. Anfängliche Vorwürfe serbischer Sicherheitskreise, dass der Bruder des albanischen Premiers den Drohnenflug von der Ehrenloge gesteuert habe, wurden nie belegt.

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