×

Sind liab zunanandt

Zwischenmenschlichkeiten lassen sich am besten zwischen vielen Menschen beobachten. Wo viele Menschen zusammenkommen, sieht man dann auch mal Autofahrer, die die Verkehrsteilnehmer anpfuttern, Passagiere, die über den Buschauffeur fluchen, Eltern, die ihre Kinder anpflaumen, Kinder, die ihre Eltern antäubeln, Mädels, die am Telefon rumzicken, oder Jungs, die ihre Kollegen ansticheln.

Südostschweiz
21.10.14 - 02:00 Uhr

Von Anina Föhn*

Neben einem allgemein vorherschend freundlichen Zusammenleben muss man doch nicht lange suchen, um Personen zu finden, die keinen allzu netten Umgang pflegen. Ihre Mitmenschen segnen sie nur mit scheelen Blicken und steinigen sie mit ihrem suura Stei. «Danke» oder «bitte» kennen sie nicht, egal, ob es um einen Gefallen oder eine Dienstleistung geht. Nicht mal bei den kleinsten Kleinigkeiten haben sie ein gutes Wort übrig.

Solche Individuen tun so, als ob Freundlichkeit eine Krankheit sei, mit der sie sich nicht anstecken wollen. Sie machen den Eindruck, dass Anstand für sie ein Fremdwort einer Sprache sei, die sie selbst nicht beherrschen. Und auch nicht gewillt sind, zu lernen. Warum auch immer. Vielleicht mögen sie es einfach nicht, wenn man nett ist. Vielleicht nehmen sie sich auch einfach selbst so wichtig, dass sie nicht mehr merken, wer da eigentlich vor ihnen steht. Nämlich ein Mensch. In erster Linie und hauptsächlich. Egal, ob sympathisch oder unsympathisch, attraktiv oder unansehnlich, dick oder dünn, reich oder arm, alt oder jung, gelegen oder ungelegen kommend. Mensch ist Mensch. Und als Menschen haben sie alle es verdient, respektiert und anerkannt zu werden für das, was sie sind und tun. Egal, ob uns ihr Sein und Handeln gerade recht ist oder nicht.

Klar gibt es viele Mitmenschen, die einem nicht passen. Dann doch noch nett sein zu ihnen ist anstrengend. Diese Bemühung anzustellen, scheinen viele für Energieverschwendung zu halten. Stattdessen würde ich es lieber eine nachhaltige Investition nennen. Denn je mehr Freundlichkeit man in die Welt gibt, desto mehr Freude besitzt die Welt, die sie einem zurückgeben kann.

Wer mit seinen Kindern anständig umgeht, ist ihnen ein Vorbild dafür, wie man selbst von ihnen behandelt werden möchte. Wer seine Freunde mit angemessener Wertschätzung behandelt, lässt seine Freunde wissen, wie viel sie einem wert sind. Wer dem Handwerker den angebrachten Respekt entgegenbringt, würdigt dessen Arbeit und bekommt dann vielleicht einmal einen Gefallen erwiesen, der nicht nötig gewesen wäre, aber einem anmassenden Kunden nie erbracht werden würde.

Wer jemandem ein Lächeln schenkt, ermöglicht dessen Verbreitung und vergrössert damit die Wahrscheinlichkeit, selbst ein Lächeln geschenkt zu bekommen. Denn Freundlichkeit ist tatsächlich eine Krankheit. Wem es gelingt, mit einem aufrichtig offenen, freundlichen Lächeln durch die Welt zu gehen, wird merken, dass es ansteckend ist. Im Gegensatz zu anderen Seuchen, vor denen wir uns fürchten, würde diese immerhin das Leben versüssen. Schade, dass dennoch so viele Leute immun dagegen sind.

* Anina Föhn ist 23 Jahre alt und studiert Philosophie an der Universität Zürich.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR