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Semadeni: «Nicht blenden lassen»

Die Olympischen Winterspiele könnten Graubünden hohe Schuldenberge zurücklassen, sagt die Bündner SP-Nationalrätin Silva Semadeni. An nachhaltige Spiele glauben die Olympiagegner nicht.

Südostschweiz
07.09.12 - 02:00 Uhr

Mit Silva Semadeni sprach Reto Furter

Frau Semadeni, der Bundesrat hat entschieden: Die Schweiz ist für Olympische Winterspiele 2022 in Graubünden. Das ist ein deutliches Zeichen.

Silva Semadeni: Das sehe ich auch so. Der Bundesrat hat ein ziemlich deutliches Zeichen gesetzt.

Alle sprechen von kleinen, feinen, weissen Spielen in Graubünden. Die Gegner, unter anderen also Sie, Frau Semadeni, glauben aber einfach nicht daran.

Wenn man die Entwicklung der Olympischen Winterspiele betrachtet, sieht man, dass die Zahl der Disziplinen, dass die Zahl der Athletinnen und Athleten und deren Betreuer zunehmen und dass vor allem die Kosten immer mehr ansteigen. Die Vorgaben an die Infrastruktur sind gegeben, die kann man nicht ändern. Es wird daher sehr schwierig werden, von diesem Gigantismus abzurücken. Natürlich wird man bessere Winterspiele organisieren können als jene im russischen Sotschi, aber so schön, klein und fein, wie man das seit ein paar Monaten von den Befürwortern hört, werden auch die Bündner Spiele nicht werden. Daran können wir wirklich nicht glauben.

Sie sind dagegen, bevor Sie die Details kennen. Das ist Gesprächsverweigerung.

Wir verweigern das Gespräch doch nicht – im Gegenteil! Die Umweltverbände wurden bis jetzt nicht einbezogen in das Projekt. Sie wurden nie angefragt. Das ist die Realität.

«Bund zahlt mehr, weil Investoren fehlen»

Der Bundesrat will sich allein an der Kandidatur mit 30 Millionen Franken beteiligen, deutlich mehr als ursprünglich vorgesehen. Die Bündner Stimmbürger können im nächsten März an der Urne eigentlich fast nur ein Ja dazu einlegen.

Nein, nein, die Bündnerinnen und Bündner sind in ihrem Entscheid völlig frei. Sehr viel Geld fliesst schliesslich auch aus Graubünden: nämlich 30 Millionen Franken. Der Bundesrat zahlt im Übrigen deshalb mehr als vorgesehen, weil finanzielle Zusicherungen von Sponsoren fehlen. Insgesamt will man 60 Millionen Franken investieren, und zwar nur für die Kandidatur.

Die Rhätische Bahn wird ausgebaut, das Strassennetz wird ausgebaut, die Bergbahnen werden ausgebaut, und überall zahlt der Bund mit. Wie im Traum – kurz bevor man irgendwann unweigerlich die Augen öffnen muss.

Bund und Kanton zahlen das gemeinsam, und es sind einfach Investitionen in Infrastrukturen, die man so oder so vornehmen würde. Die Investitionen in Graubünden würden bei einer Kandidatur gegenüber den Investitionen in anderen Kantonen als prioritär betrachtet, sodass die Gelder aus den anderen Kantonen nach Graubünden abgezogen würden. Die Tatsache ist aber, dass man diese Investitionen so oder so tätigen wird.

Aber nicht so schnell.

Das ist eben auch ein Problem. Wenn man nämlich so viel Geld in so kurzer Zeit investiert, ist das weder für den Kanton Graubünden noch für die Bündner Unternehmungen gut.

Der Werbeeffekt für Graubünden wird allein dank der Kandidatur gross sein: Alle Chinesen kennen fortan Heidi und wünschen sich nichts sehnlicher, als nach Maienfeld zu fahren.

Ich kann mir nicht recht vorstellen, dass man mit Heidi für die Olympischen Winterspiele werben kann. Nein, eher werden die bekannten Marken Davos und St. Moritz in den Vordergrund geschoben. Was der Bündner Tourismus aber braucht, ist nicht Werbung für zwei bekannte Stationen, sondern Werbung für alle Destinationen, wie das beispielsweise mit der neuen Tourismusabgabe sichergestellt werden kann.

«Spiele werden Schuldenberge zurücklassen»

Der Bundesrat will sich, wenn Graubünden den Zuschlag erhalten sollte, mit einer Milliarde Franken an den Spielen beteiligen. Vielleicht nicht gut und nicht nachhaltig investiert – aber, aus Bündner Sicht, immerhin in Graubünden investiert und nicht wie üblich im Mittelland.

Das ist richtig, ja. Man soll sich von der Summe aber nicht blenden lassen. Mit der Bundesmilliarde lassen sich nicht alle Kosten decken, welche von den Olympischen Winterspielen verursacht würden. Derzeit geht man von Gesamtausgaben von 2,8 Milliarden Franken aus. Problematisch wird dabei der Sicherheitsbereich werden. Bei den letzten Olympischen Winterspielen in Vancouver wurde allein in jenem Bereich das Budget um 950 Millionen Franken überschritten. Die Olympischen Winterspiele in Graubünden werden den Gemeinden, dem Kanton und dem Bund deshalb wohl eher hohe Schuldenberge zurücklassen.

Ruinen bleiben in Graubünden immerhin keine zurück, weil nur wenig Bauten neu erstellt werden müssen, sagen die Befürworter. Das wäre nachhaltig – wenn es so wäre.

Die Promotoren werden sich sicherlich sehr viel Mühe geben, keine Ruinen zurückzulassen. Das heisst aber, dass man all die temporären Bauten wieder abräumen, verkaufen oder verschenken muss. Das ist auch nicht sehr nachhaltig.

Und die vielen Hotelbetten, die nach den Spielen nicht mehr benötigt werden, kann man immer noch zu Zweitwohnungen umfunktionieren. Das spült den Bündnern grad noch einmal Geld in die Taschen.

Das zumindest hat der Bundesrat mit der Verordnung zur Zweitwohnungsinitiative halbwegs so beschlossen. Über 25-jährige Hotels wird man tatsächlich umwandeln können. Der Kanton Graubünden braucht aber nicht mehr Betten, das ist allen Tourismusexperten klar, sondern mehr Gäste. Olympische Spiele bringen aber nicht mehr Gäste, wie die Erfahrungen anderer Host Cities zeigen. Wie man all die Besucher, Athleten und Medienschaffenden bei uns unterbringen will, ist noch unklar. Die Bündner Regierung will am Montag darüber informieren. Möglich ist, dass man temporäre Unterkünfte errichten wird.

Zahlende Gäste in den Container?

Am Montag werden wir mehr wissen. Ich kann mir das vorstellen, ja.

«Nicht nachhaltig»: Silva Semadeni traut den Worten nicht.

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