×

Sechs Jahre Haft für Ex-Regierungschef Olmert

Israel Bis zuletzt beteuerte Ehud Olmert seine Unschuld. Aber der einst mächtige Politiker der Likud-Partei muss wegen Bestechung ins Gefängnis.

Südostschweiz
14.05.14 - 02:00 Uhr

Am 1. September muss Israels früherer Regierungschef Ehud Olmert für sechs Jahre hinter Gitter. Richter Uri Rosen vom Tel Aviver Bezirksgericht zeigte keine Gnade, als er gestern das Strafmass in Israels spektakulärstem Schmiergeldprozess seit Staatsgründung verkündete. Es geht um ein Bauprojekt in Jerusalem, bei dem Olmert, der bis 2003 Bürgermeister der Stadt war, Unternehmer gegen Bezahlung begünstigte. Sechs Mitangeklagte werden ebenfalls Haftstrafen von drei bis sieben Jahren absitzen müssen. Offen blieb das Strafmass für Olmerts Nachfolger im Jerusalemer Rathaus, Uri Lupoliansky, sowie Schula Saken, Olmerts Büroleiterin, die ihren früheren Chef noch kurz vor Prozessende schwer belastete.

Mit Olmert geht zum ersten Mal ein israelischer Ex-Ministerpräsident ins Gefängnis. Er gesellt sich zu Mosche Katzaw, ehemals Staatspräsident, der zurzeit eine mehrjährige Haftstrafe wegen zweifacher Vergewaltigung absitzt. Dass die beiden in dieselbe Zelle kommen, ist allerdings auszuschliessen, denn Katzaw wählte den orthodoxen Trakt, während Olmert nicht sehr religiös ist. So peinlich es für Israel sein mag, die beiden früheren Spitzenpolitiker in Häftlingskluft zu sehen, so sprechen die Verurteilungen nach Ansicht des Analysten Mosche Negbi für den Staat. «Der Unterschied zwischen einer Bananenrepublik und einem Rechtsstaat zeigt sich genau dann, wenn das Recht auch vor den Mächtigsten nicht Halt macht.»

Revision wird kaum Chancen haben

Olmert kündigte an, vor dem Obersten Gerichtshof gegen den Schuldspruch und das Strafmass in Revision zu gehen. Rechtsanalyst Negbi räumt ihm kaum Chancen ein. Zusätzlich zu den sechs Jahren Haft verdammte ihn der Richter zu einer Geldstrafe von umgerechnet gut 250?000 Franken. Das ist etwa die doppelte Summe dessen, was Olmerts Bruder Jossi von einem israelischen Geschäftsmann zugesteckt bekommen hatte. Bis zum Schluss hielt der 68-jährige Hauptangeklagte daran fest, nichts von dem Geldtransfer gewusst zu haben. An diesem «traurigen Tag», so hatte Olmert noch am Morgen kundgetan, werde «ein unschuldiger Mann» zu Unrecht schwer bestraft.

Wie «eine ansteckende Krankheit»

Richter Rosen begründete das hohe Strafmass mit dem erklärten Ziel, «eine ansteckende Krankheit» auszumerzen. Bestechung und Korruption «verseuchen den öffentlichen Sektor», meinte er. Ein korrupter Politiker sei wie ein Verräter, der die Öffentlichkeit betrüge und dazu führe, dass sie die staatlichen Institutionen verachte. Justizministerin Zipi Livni, frühere Partei- und Regierungspartnerin Olmerts, kommentierte das Urteil zwar mit Bedauern, beteuerte aber gleichzeitig ihr Vertrauen in das israelische Rechtssystem.

Susanne Knaul, Tel Aviv

nachrichten@luzernerzeitung.ch

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR