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«Schreibe, wie du sprichst», sagte Herr Duden

Zeitgenossen rühmten ihn für seinen Sprachwitz und seinen Humor. Heute ist sein Name in Sachen Rechtschreibung Gesetz. Vor 100 Jahren ist Konrad Duden, Schöpfer des gleichnamigen Wörterbuchs, gestorben.

Südostschweiz
31.07.11 - 02:00 Uhr

Von Ralf Isermann

München. – Es war eine lustige Wette: Er werde keinen Satz bilden können, der mit sechs Mal «die» beginnt, spottete der Deutsche Konrad Duden über einen angeberischen Justizrat. Dieser scheiterte tatsächlich – und Duden konnte mit einer eigenen Satzkreation 50 Flaschen Wein einstreichen. Dies gelang Duden mit dem Satz: «Die, die die, die die Dietriche erfunden haben, verdammen, tun unrecht.» Der morgen Montag vor 100 Jahren verstorbene Duden war für seinen Sprachwitz und Humor bekannt. Vor allem aber machte er sich als Vater einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung verdient.

Duden wurde am 3. Januar 1829 auf Gut Bossigt beim niederrheinischen Wesel geboren. Er studierte in Bonn, war Hauslehrer in Frankfurt und Genua, arbeitete in Soest am Gymnasium, bevor er 1869 mit 40 Jahren als Gymnasialdirektor nach Schleiz in Thüringen ging. Die für die damalige Zeit noch wenig verbreitete Mobilität des Lehrers war prägend für ihn. Denn so war er in dem auch nach Gründung des Deutschen Reichs 1871 erst allmählich zu einem Land zusammenwachsenden deutschen Flickenteppich mit ständig wechselnden Rechtschreibungen konfrontiert.

Mit den Preussen zum Durchbruch

In fast jedem der damals noch über 30 deutschen Staaten, in fast jedem Verlag und fast jeder Behörde gab es eine eigene Hausrechtschreibung. Dem Schulleiter stiess dies zunehmend sauer auf. Noch an seiner Stelle in Schleiz formulierte er unter dem Titel «Die deutsche Rechtschreibung. Abhandlungen, Regeln und Wörterverzeichnis mit etymologischen Angaben» Rechtschreibregeln. Doch aus dem kleinen Fürstentum Reuss heraus hatte Duden zu wenig Einfluss. So nahm er 1876 das Angebot an, im grossen Preussen die Leitung des Gymnasiums Hersfeld zu übernehmen. Zusammen mit seiner Familie zog er nach Preussen. Im mächtigsten der deutschen Königreiche hatte Duden nun direkten Kontakt zu den Schulbehörden und wurde 1876 auch als Experte zur 1. Orthographischen Konferenz nach Berlin eingeladen.

Duden vertrat dort eine liberale Linie. «Schreibe, wie du sprichst», lautete seine Maxime. Demgegenüber stand das historische Prinzip, das sich an der Schreibung des Mittelhochdeutschen orientierte und von Duden als aristokratisch empfunden wurde. Die Gegensätze waren unüberwindbar, die Konferenz scheiterte.

Statt sich in den Schmollwinkel zurückzuziehen, machte Duden nun Nägel mit Köpfen. Er setzte sich in sein Studierzimmer und verfasste 1880 sein «Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache». Ein aus 27 000 Stichwörtern bestehendes Kompromisswerk auf Grundlage der preussischen Regeln mit Hinzuziehung der bayerischen Regeln entstand, mit dem sich Duden auf der 2. Orthographischen Konferenz 1901 durchsetzte. Die Regeln wurden 1903 zur amtlichen deutschen Rechtschreibung erklärt und erst mit der Reform von 1998 wieder in der Substanz verändert.

Der Streit um die Reform dauert an

Über die Reform von Dudens Regelwerk wurde mit grösster Heftigkeit gestritten. Die seit 13 Jahren geltenden neuen Regeln sind wegen des Streits der verschiedenen Lager ein Kompromisswerk, das manche Widersprüche in sich trägt und wohl niemanden zu 100 Prozent zufrieden gestellt hat. Und es waren auch schon Überarbeitungen nötig. 2006 traten nach Empfehlung des Rechtschreibrats überarbeitete Regeln in Kraft, das Gremium beobachtet auch die weitere Entwicklung der Schriftsprache. Die kontinuierliche Arbeit an der Rechtschreibung ist ebenfalls ein Erbe Dudens: Als er 1911 mit 82 Jahren starb, lag auf seinem Schreibtisch das nahezu abgeschlossene Manuskript der neunten Duden-Auflage.

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