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«Schontage nützen den Pilzen nichts»

Bringen Schonzeiten für Pilze ökologisch überhaupt etwas? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit die Bündner Regierung. Auf Vielfalt und Menge haben die Schonzeiten jedenfalls keinen Einfluss, wie verschiedene Studien zeigen.

Südostschweiz
31.10.14 - 01:00 Uhr

gian andrea Marti

Noch geniessen die Pilze in Graubünden Schonzeiten. Denn vom 1. bis zum 10. jeden Monats herrscht kantonsweit ein Pilzsammelverbot. Nebst Graubünden kennen bloss noch die Kantone Glarus, Luzern, Obwalden und Zürich Schonzeiten für einheimische Pilze. Doch auch ausserhalb der Schonzeiten müssen beim Pilzsammeln Regeln beachtet werden. «Graubünden kennt wie viele andere Kantone auch eine Mengenbegrenzung von zwei Kilogramm pro Person und Tag», erklärte Beatrice Senn-Irlet von der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, am Dienstagabend an einem Vortrag im Bündner Naturmuseum. «Ausserdem ist auch das Pilzsammeln in Gruppen von mehr als drei Personen sowie die mutwillige Zerstörung von Pilzen verboten.» Wer gegen die Pilzschutzbestimmungen verstösst, wird mit einer Busse bestraft.

Nur die Frucht wird geerntet

Doch längst nicht alle halten sich an diese Regelungen. Immer wieder gehen der Bündner Polizei Pilzsammler ins Netz, welche die Schonzeiten ignorieren oder zu viele Pilze gesammelt haben.

Ein solches behördliches Vorgehen wäre allerdings gar nicht notwendig, wie Senn an ihrem Vortrag darlegte. «Wissenschaftlich gesehen haben Schontage keinen grossen Einfluss auf die Pilzvielfalt.» Studien hätten gezeigt, dass es für die Vielfalt und Menge an Pilzen keine Rolle spielt, ob man eine monatliche Schonzeit einführt oder nicht. «Der zentrale Teil des Pilzes ist ja nicht die an der Oberfläche sichtbare Frucht, sondern das unterirdische Mycel», so Senn. Wer einen Pilz einigermassen fachgerecht abschneide oder ausdrehe, bediene sich lediglich der Frucht. «Die Teile des Pilzes, die für den Fortbestand wichtig sind, werden hingegen nicht geschädigt, weshalb auch die Fortpflanzung nicht beeinträchtigt wird.»

Beschränkungen lockern?

Ausgehend von solchen Studien haben Pilzsammler in vielen Kantonen Druck gemacht, die bisherigen Beschränkungen zu lockern. So wurden etwa in den Kantonen Schwyz und Bern die Schonzeiten abgeschafft.

Auch in Graubünden könnte dies nun zum Thema werden. So hat Grossrat Roland Kunfermann (CVP, Thusis) letzte Woche eine Anfrage bei der Bündner Regierung eingereicht betreffend einer Abschaffung der Pilzschontage in Graubünden. Unterschrieben wurde das Anliegen von 27 weiteren Parlamentariern. «Meiner Meinung nach sind die geltenden Pilzschontage sehr fragwürdig, da der Pilzpopulation keine Schädigung durch das regelmässige Sammeln der Pilze zugeführt wird», erklärt Kunfermann. «Sinnvoller wäre es, wenn vermehrt Pilzschutzgebiete ausgeschieden würden, wie es einige Gemeinden schon getan haben.»

Kunfermanns Anliegen stösst auch bei eingefleischten Pilzlern auf Anklang. «Ich denke ebenfalls, dass die zehn geltenden Pilzschontage keinen Zweck haben», sagt Manfred Walter, Mitglied des Bündnerischen Vereins für Pilzkunde. Die Mengenbegrenzung von zwei Kilogramm pro Person und Tag stellen aber weder Walter noch Kunfermann infrage. «Diese Regelung hat auch eine soziale Komponente: Die Pilze sollen gerecht auf die Köpfe verteilt werden.»

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