×

Rohr am Betliser Felshang zerbrochen

Nach einem Steinschlag musste das Wasserkraftwerk Muslen im Betlis abgeschaltet werden. Bis Ende September kann hier kein Strom produziert werden. Die Reparatur der beschädigten Druckleitung im steilen Felsgebiet wird teuer.

Südostschweiz
29.07.14 - 02:00 Uhr

Von Ulrike Nitzschke und Yvonne Büsser

Amden/Betlis. – «Das war einmal ein Weg», sagt Reto Zuglian, Leiter Betrieb Produktion der St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke AG. Er setzt seinen Bergschuh in triefend nasses Geröll. Für einen Moment gerät der kräftige Mann ins Wanken. Die Steine unter ihm verbergen einen Schutzzaun. Der hatte herabstürzendem Geröll und Wasser nicht standgehalten. Die Zaunfelder mit Baumstämmen, dicken Ästen und Gesteinsbrocken versperren den Weg zur Schadensstelle. SAK-Mitarbeiter, Revierförster und Bauexperten steigen den steilen Felshang zum Leck der Druckleitung hinauf.

Ein Steinschlag hat die 302 Meter lange Druckleitung beschädigt. Diese führt vom Stausee Muslenweiher in 606 Meter über Meer hinunter zum Walenseeufer. Dort wandelt das Kraftwerk Muslen die Kraft des gebändigten Wassers in Strom für 800 bis 900 Haushalte um.

Kraftwerksturbine steht still

Doch seit Sonntagvormittag fällt die Stromproduktion in diesem Kraftwerk aus. Anwohner hatten gegen 9 Uhr Alarm geschlagen. Mit einer Sofortmassnahme versperrten Mitarbeiter des SAK den Ausgang des Stausees Muslenweiher durch einen Schieber und setzten die Kraftwerksturbine ausser Betrieb.

Noch immer fliesst Wasser aus und neben dem Rohr. «Der Schieber am Stausee kann nicht hundertprozentig geschlossen werden», beschreibt Zuglian die Situation. Es bestehe aber keine Gefahr mehr. Trotzdem bewegen sich die Männer unter Helmen vorsichtig im Geröll. Mit Steinschlag ist hier jederzeit zu rechnen. Die Schutzverbauung ist restlos zerstört.

«Der Zustand des Wasserkraftwerks Muslen bereitet uns schon länger Sorgen», sagt der SAK-Betriebsleiter. Und nun auch noch dieser Schaden. Die Wucht der herabstürzenden Felsmassen hat die Druckleitung verschoben. Dabei ist eine Schweissnaht zwischen zwei Rohrelementen zerborsten. Das Wasser suchte sich seinen eigenen Weg. «In einem zugänglichen Gebiet könnte so ein Schaden in kurzer Zeit behoben werden», weiss SAK-Bereichsleiter Adriano Tramèr aus Erfahrung. «Im Fall Muslen muss das Gebiet jedoch erst geologisch abgeklärt werden.»

Danach stehen Arbeiten der Forstgruppe an. «Wie beim letzten Steinschlag im Januar werden wir in Zusammenarbeit mit einem Bergführer die losen Gesteinsmassen entfernen und für Baufreiheit sorgen», informiert Revierförster Manuel Gmür und offeriert ausserdem den Wiederaufbau der Steinschlagverbauung.

Mit bis zu zehn Firmen rechnet Betriebsleiter Zuglian für die Schadensbeseitigung. «Das Gebiet muss gesichert, die gesamte Druckleitung kontrolliert, die Baustelle eingerichtet werden.» Dafür würden Spezialisten gebraucht, die Arbeiten am Seil verrichten können. Die Gesamtkosten schätzt Zuglian auf etwa eine halbe Million Franken.

Kraftwerk fällt zwei Monate lang aus

«Anfang nächster Woche werden hier Gerüste aufgebaut», plant Hans Erne von der gleichnamigen Metallbau AG. Nach statischen Vermessungen könnten die kaputten Rohre auf 20 bis 30 Meter Länge abmontiert und durch neue ersetzt werden. Etwa drei Wochen würden diese Arbeiten dauern. «Mehr als drei Mann gleichzeitig kann ich hier nicht einsetzen.» Das sei zu gefährlich.

Max Zeller von der kantonalen Gebäudeversicherungsanstalt begutachtet den Schaden am Wasserkraftwerk. Im Dach klafft ein Loch. Dachrinnen sind zerbrochen, ein Stahlgeländer verbogen. Die Schäden seien durch die Elementarversicherung gedeckt.

«Wir gehen von einem zweimonatigen Stillstand der Anlage aus», informiert Adriano Tramèr und beziffert den erwarteten Produktionsausfall mit weiteren 50 000 Franken. Die Stromlieferung für die betroffenen Haushalte werde derzeit von anderen Anbietern gesichert.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR