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Rindsfilet und Anzug statt Bier, Sägemehl und Bratwurst

Am Freitagabend fand im zürcherischen Glattfelden die erste Nacht des Schwingsports statt. Matthias Sempach wurde als erfolgreichster Schwinger des Jahres mit dem goldenen Kranz ausgezeichnet.

Südostschweiz
16.09.12 - 02:00 Uhr

Von René Weber

Schwingen. – Freitagabend, Hotel «Riverside» in Glattfelden. Was die besten Fussballer und Eishockeyaner jedes Jahr bei ihrer Gala dürfen, können die Schwinger erstmals auch. Beim Gang über den roten Teppich tun sie sich trotz weiblicher Begleitung aber sichtbar schwerer als ihre Gala-erprobten Sportskollegen vom Rasen und Eis. Erstmals überhaupt werden die Stärksten der Starken offiziell und in festlichem Rahmen ausgezeichnet. Tatar, Nüsslisalat mit Steinpilzen und Rindsfilet stehen auf der Speisekarte. Petit Arvine du Valais und Merlot del Ticino gibt es dazu im Weinglas. Die Qualität hervorragend, die Menge für Spitzenschwinger bedingt ausreichend. «Das Essen war fein, aber nicht genug», sagt der Berner Christian Stucki stellvertretend für seine Kollegen.

Diese Kritik ist dann aber die einzige, die sich OK-Präsident Roger Fuchs anhören muss. Ansonsten wird der innovative Toggenburger, der sich erst seit zwei Jahren in der Schwingerszene bewegt, gelobt – und dies zu Recht. Was er in den letzten Monaten in Eigenregie auf die Beine gestellt hat, ist bemerkenswert. «Ein super Anlass», sagt Schwingerkönig Kilian Wenger. Worte, die Fuchs gerne hört und ihn bestärken, die Nacht des Schwingsports in zwölf Monaten wieder durchführen zu wollen. Dann vielleicht sogar mit offizieller Unterstützung und dem Segen des Kommerzanlässen abgeneigten Eidgenössischen Schwingerverbandes, der in Glattfelden unter anderen mit dem Churer Obmann Mario John vertreten ist.

Goldener Kranz für Sempach

Neben dem Galadinner wird den Schwingern und Gästen im «Riverside» einiges geboten. Hackbrettspieler Nicolas Senn und die Swissters unterhalten die Gäste musikalisch. Matthias Hüppi, Moderator im Schweizer Fernsehen, führt souverän, wenn auch mit einigen Versprechern, durch den Abend und interviewt die für die verschiedenen Preise vorgesehenen «Zwilchhosen-Gladiatoren». Einer steht dabei im Mittelpunkt. Matthias Sempach aus Alchenstorf wird zum Schwinger des Jahres gewählt. Als dem Berner kurz vor 23 Uhr von seiner Freundin Heidi Jenny, die aus Mangel an Ehrendamen einspringt, der goldene Kranz aufgesetzt wird, ist der offizielle Teil des Abends nahe. Nach Hause geht die Schwingerfamilie aber nicht. Weiter geht die Party an der Hotelbar. Softdrinks und viel Appenzeller gehen hier über die Theke, je näher der Morgen rückt auch Hochprozenter. «Wenn wir schon einmal die Gelegenheit haben, gemeinsam zu feiern, dann nützen wir sie auch», sagt Florian Gnägi, 42-facher Kranzgewinner aus dem bernischen Aarberg, der mit den Toggenburgern Nöldi Forrer und Daniel Bösch anstösst.

Kalender für Schwingerkönigin

Nicht nur Überschwinger Sempach, der in einem Jahr beim «Eidgenössischen» in Burgdorf der Favorit sein wird, geniesst das Ambiente. Auch wenn er das Tragen des Anzugs als «gewöhnungsbedürftig» bezeichnet, ist er gerne hier. Eine tolle Sache, sagt er, sei es, gemeinsam mit Schwingerkollegen aus dem ganzen Land zusammen zu sein. Der 26-Jährige, der in diesem Jahr bei fünf Kranzfesten obenauf geschwungen hat, ist nicht der Einzige, der Glattfelden gekrönt verlassen kann. Freuen über den goldenen Kranz dürfen sich auch der Innerschweizer Marcel Mathis als Aufsteiger des Jahres, der St. Galler Simon Kid aus Weesen als bester Nachwuchsschwinger und der Freiburger Ernest Schläfli. Der 66-Jährige wird für seine Verdienste fürs Schwingen ausgezeichnet.

Applaus der Schwingerfamilie, unter die sich Prominenz aus Wirtschaft und Politik sowie Athleten anderer Sportarten gemischt haben, erhalten auch die Schwyzer Eidgenossen Adi, Philipp und Ivo Laimbacher. Ihnen wird von der Skirennfahrerin Nadja Kamer ein Sonderpreis für die Organisation eines Charity-Skirennens verliehen. Und ganz am Ende darf mit Sonia Kälin sogar noch eine Frau für einige Minuten auf die Bühne. Sie steht kurz im Mittelpunkt der Männerdomäne Schwingen. Die Schwingerkönigin aus Egg erhält zwar keinen goldenen Kranz, dafür einen von Sempach unterschriebenen Kalender.

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