×

Repower hat die Bevölkerung von Kalabrien gegen sich

In einer repräsentativen Umfrage zu den Kohlekraftwerkplänen von Repower haben sich 61 Prozent der angefragten Kalabresen gegen das Projekt in Saline Joniche ausgesprochen. Repower reagiert auf das Resultat gelassen.

Südostschweiz
05.05.12 - 02:00 Uhr

Von Stefan Bisculm

Poschiavo. – Repower-CEO Kurt Bobst hat es in Interviews mit der «Südostschweiz» immer wieder betont: Repower werde «das Kohlekraftwerk nicht gegen den grossmehrheitlichen Willen der Bevölkerung bauen». Die Rede ist vom geplanten Kohlekraftwerk in Saline Joniche. Das Bündner Energieunternehmen will an der Küste von Kalabrien ein Kraftwerksprojekt mit Investitionskosten von einer Milliarde Euro realisieren.

Provinz- und Regionalparlament vor Ort lehnen das gigantische Kohlekraftwerk ab. Beide Parlamente haben sich in Abstimmungen – die allerdings rein deklamatorischer Art waren – klar gegen das Projekt ausgesprochen. Die erste Bewilligungsinstanz sitzt jedoch in Rom, und dort steht man dem Projekt wohlwollender gegenüber.

Wo stehen Kalabresen?

Auf welcher Seite die kalabresische Bevölkerung steht, war bisher unklar. Eine Abstimmung über das Kohlekraftwerkprojekt von Repower hat es nie gegeben. Folglich konnten bis gestern sowohl Projektbefürworter als auch Projektgegner ungestraft behaupten, die Bevölkerung hinter sich zu wissen. «An öffentlichen Informationsveranstaltungen haben wir festgestellt, dass weit über 50 Prozent der Teilnehmer das Projekt unterstützen», sagte etwa Bobst im Oktober 2011 gegenüber der «Südostschweiz».

Der WWF Schweiz wollte endlich Gewissheit hinsichtlich des Bevölkerungswillens und beauftragte das italienische Meinungsforschungsinstitut Ispo mit der Durchführung einer repräsentativen Umfrage in Kalabrien. Die Umfrageresultate, die gestern den Medien zugestellt wurden, stützen die Projektgegner. 61 Prozent der Befragten gaben an, gegen den Bau des Kohlekraftwerks zu sein, 26 Prozent sind dafür, 13 Prozent noch unentschlossen. Insgesamt nahmen 500 Personen an der Umfrage teil, wie dem Ispo-Schlussbericht zu entnehmen ist.

«Wenn Repower-Chef Kurt Bobst keine Sonntagsreden hält, kann Repower jetzt nicht mehr anders, als das Kraftwerkprojekt endlich stoppen», sagte Anita Mazzetta, Geschäftsführerin des WWF Graubünden, auf Anfrage. Repower müsse jetzt Wort halten, wenn das Unternehmen den eigenen Ruf und den von Graubünden nicht weiter schädigen wolle.

Repower-Chef Kurt Bobst war gestern für die «Südostschweiz» nicht erreichbar. An seiner Stelle erklärte Werner Steinmann, Pressechef von Repower, man habe die Umfrage zwar zur Kenntnis genommen, plane deswegen aber keinen Stopp des Projekts. «Das wäre nicht seriös. Wir befinden uns mitten in einem Prozess. Die Meinung der Bevölkerung kann sich auch wieder ändern.» Repower werde den Bewilligungsprozess gemäss italienischem Recht weiter vorantreiben, so Steinmann. Ein erster Entscheid aus Rom sei «in absehbarer Zeit» zu erwarten.

«Verschwörungstheorie der SEI»

Die italienische Repower-Tochtergesellschaft SEI, die das Kohlekraftwerkprojekt vor Ort betreut, reagierte auf die Umfrage entschieden gereizter als das Mutterhaus in Poschiavo. Schon vor einigen Tagen teilte SEI in einem Communiqué den Medien mit, dass jemand unrechtmässig in ihrem Namen eine Umfrage zum Kohlekraftwerkprojekt in Saline Joniche mache. Den Verantwortlichen dieser Umfrage drohte SEI mit rechtlichen Schritten. WWF-Geschäftsführerin Mazzetta hält die Darstellungen der SEI hinsichtlich des Vorgehens bei der Umfrage für eine «Verschwörungstheorie».

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR