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PORTRÄT

Der Künstler Gianin Conrad hat bereits ein vielfältiges und vielschichtiges Werk hervorgebracht. Ein Besuch in seinem Atelier in Chur.

Südostschweiz
17.04.13 - 02:00 Uhr

Von Yanik Bürkli (Fotos) und Julian Reich (Text)

Wer Gianin Conrads Churer Atelier besuchen will, der muss sich als erstes durch einen schmalen Korridor quetschen, links und rechts stapelt sich, so Platz sparend wie möglich und so sorgfältig wie nötig angeordnet, allerlei Kram, Gerümpel auf den ersten Blick – Kunstwerke vielleicht? Von allem etwas. Endlich im Atelierraum angelangt, hell ist er, quadratisch im Grundriss und hoch, liegt in der Luft schwabige Wärme und der Geruch von Gas. Der Künstler hat vorgeheizt, «es kann hier schon sehr frisch werden», sagt er an diesem Tag Ende März, an dem draussen noch die eine oder andere Schneeflocke vom Himmel taumelt.

Und so gibt es zwei mögliche Gründe dafür, dass einem schwindlig wird, als der Künstler zu erzählen beginnt: Es ist entweder das Gas oder Conrads Tempo. Conrad, das zeigt sich bald, ist ein Schnelldenker. Er ist ein reflektierter Mensch, der gern über seine Beweggründe Auskunft gibt, der seine Position in und auch seine Wirkung auf die Welt hinterfragt. Auf Wunsch des Fotografen rückt er einen Sessel in die Mitte des Ateliers, gibt aber zu Verstehen, dass er sich nicht weiter in Pose werfen möchte. Viel lieber erzählt er.

Dozent, Künstler, Kurator

Steinbildhauer war sein erster Beruf, es folgten Kunststudien in Zürich, Berlin, Luzern und Basel. Seit Kurzem doziert der Churer an der Zürcher Hochschule der Künste, sein Fachgebiet ist skulpturales, plastisches und räumliches Gestalten. Neben seinem Pensum widmet sich der 1979 geborene ganz und gar seiner Kunst, «weil es das ist, was ich tun will», sagt er bestimmt. Künstler sein, das heisst für ihn: alles dafür investieren.

Kunst aber, das ist für Conrad nicht nur sein eigenes Werk. Sein Engagement gilt auch der Vernetzung von Kunstschaffenden in Graubünden und in Winterthur, wo er ebenfalls lebt. Unter dem Namen «Fernwärme» hat Conrad gemeinsam mit Lydia Wilhelm ein Netzwerk gesponnen, das jungen Künstlern den Austausch ermöglichen will. Und ihnen eine Plattform schaffen soll. So hat das Duo bereits zwei Ausstellungen organisiert, ein grösseres Projekt ist derzeit in Planung, doch Conrad will noch nichts davon verraten.

Zeit und Raum

Der Kunstbetrieb gleicht einem Marktplatz, auf dem sich oftmals derjenige am besten verkauft, der seine Produkte am cleversten anpreist. Conrad weiss um die Mechanismen des Business’ – und unterläuft sie Mal um Mal. Als Plastiker hat man es ohnehin schwer auf dem Kunstmarkt, die Nachfrage ist gering. Trotzdem macht sie den grössten Teil seines Werkes aus. Hinter dem Sessel liegt am Boden eine Stele aus Beton, eine Kerbe ist hineingeschlagen, der Schutt liegt auf einem Häufchen nebenan. Hin und wieder schlägt der Künstler mit Hammer und Meissel ein Stück ab, er sagt, es sei eine Art Komprimierung von Zeit, eine Beschleunigung des Vorgangs, der auch ohne sein Zutun vonstatten geht: Erosion. Die Arbeit thematisiert die zeitliche Dimension – dabei ist Conrad doch ansonsten vielmehr dem Raum zugetan.

Unmögliche Räume

An der Jahresausstellung der Bündner Künstlerinnen und Künstler, an der Conrad regelmässig vertreten ist, zeigte er zuletzt den «Spanner», ein Spannset, das an Haken befestigt von Wand zu Wand führt und dem Raum eine neue Ausdehnung, eine neue Spannung gibt. Zugleich ist es eine Art Zeichnung in drei Dimensionen, was wiederum zu Conrads zeichnerischen Werken führt, in denen er sich stark mit optischen Täuschungen, mit unmöglichen Räumen beschäftigt.

Solche baut er gern auch mit Materialien aus dem Baumarkt zusammen. Zum Beispiel aus Zollstöcken, wie er sie 2009 im Kunstraum Sandra Romer zeigte. Die Konstruktionen fotografiert er zuweilen und montiert sie in Ansichten des Weltraumes. Mit einer solchen Arbeit gewann er den Premi Cultural 2009.

Mühsame Kleinarbeit

Conrads Werk ist vielfältig, es lässt sich kaum auf einen einzigen Nenner bringen, was letztlich den Künstler selbst nur schwer fassbar macht. Seine jüngsten Arbeiten, die er erneut aus Schnipseln von Zollstöcken in mühsamer Kleinarbeit zusammengesetzt hat, zeigen einen gespannten Bizeps, einen Innenraum und Landschaften – seine künstlerische Ernsthaftigkeit kaschiert Conrad mit spielerischer Kunst.

Derzeit zeigt Conrad die Arbeit «Warum der Fuchs nach Hause geht» in der «Kunstkiste» in Uster (bis 30. Mai). www.gianinconrad.ch

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