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Pinselstrich zum Glück

Sein sanftes Lächeln, seine ruhige Stimme würden hinter dem Mann mit der Afrolook-Frisur eher einen Yoga-Lehrer vermuten lassen als einen Maler, dessen Lehren auch nach seinem Tod weltweit für Furore sorgen. Der Amerikaner Bob Ross lockt mit seinen Sendungen Tausende vor die Bildschirme.

Südostschweiz
16.10.11 - 02:00 Uhr

Von Christina Rubarth

«Okay, let's go right up here. Now then, using the little criss-cross strokes, little x's, little x's just like so, just begin dropping in a happy little sky. Little x's, there. That's just the way the teacher used to grade my paper in school. Little x’s …», so hörte sich 1987 eine von Bob Ross’ Anweisungen an. Kenner brauchen keine Übersetzung. Sie wissen, es gibt nur einen, der einer weissen Fläche dank ein paar Handbewegungen mit Pinsel, Spachtel und Ölfarbe so zärtlich Leben einhauchen kann. Für alle anderen frei interpretiert: Hier ein kleines x und da ein kleines x – fertig ist die grosse Kunst. Der eine, das ist Bob Ross – der Mann mit der mittelaschblonden Naturkrause und dem Bart, der aus jedem Menschen einen Künstler macht, der trotz seines Hangs zu Pastelltönen, Sonnenuntergängen und Alpenpanoramen zum Star aufgestiegen ist. Kenner, das sind Tausende Bob-Ross-Infizierte weltweit, die erfolgreich seine Marke weitertragen.

«Just begin dropping in a happy little sky ...»

Bob Ross hat Millionen Menschen die Angst vor der leeren Leinwand genommen. Mit seiner eigenen Nass-in-Nass-Maltechnik im Gepäck tourte er von Anfang der Achtzigerjahre an durch die USA, machte erst da, dann überall auf der Welt aus Hausfrauen und Taxifahrern, aus Rentnern und Studenten kleine Künstler. Auch wenn Ross nicht mehr lebt – er starb vor 16 Jahren an Krebs –, seine Lehren existieren weiter. Mit «The Joy of Painting», seiner eigenen TV-Sendung, hat er in 400 Folgen den Fernsehzuschauern gezeigt, wie aus Pinselstrichen Bäume entstehen, wie bis dato perspektivisch Unbegabte und komplett Talentfreie in nur einer Stunde ein Bild produzieren können, das sich gut macht an der eigenen Wohnzimmerwand. Das nicht aussieht wie Malen nach Zahlen, sondern wie Öl auf Leinwand.

«The Joy of Painting»

Spass war und ist Bob Ross’ Schlüssel zum Erfolg. Schritt für Schritt erklärt er, wie die Farbe aufzutragen ist, in welcher Intensität, mit welchem Pinsel – damit eine liebliche Landschaft entsteht, ein knalliges Blumenbouquet oder ein Tierporträt. Sein längst bekanntes Geheimnis: Er trägt mehrere Farbschichten auf, blendet die Farben dann ineinander, sodass weiche Übergänge entstehen.

«Diese Technik funktioniert einfach», sagt Angelika Weile aus Berlin, selbst Bob-Ross-Infizierte. «Bob Ross gibt blutjungen Anfängern das, was sie brauchen: einfache Anweisungen.» Schon in eintägigen Kursen, so das Versprechen, lernen Malwillige die kleinen Freunde des grossen Bob Ross kennen. Nach nur einem Tag Bob-Ross-Training kann jeder sein eigenes Bild in der Hand halten und mit nach Hause nehmen. Angelika Weile ist eine von weltweit Hunderten, wenn nicht Tausenden CRIs – zertifizierten Bob-Ross-Instruktoren –, die sein Erbe weitertragen. Sie ist offiziell geschult in seiner Technik und bietet seit fast zehn Jahren Kurse in ihrem eigenen Berliner Atelier an.

«... happy sky – happy accidents ...»

Ganze Familien kommen mittlerweile zu Angelika Weile, um sich in die Geheimnisse der Rossschen Bilderwelt einweisen zu lassen. In eine Welt, in der die Sonne immer scheint – und selbst die Wolken immer glücklich sind. Angefangen hat Weile so wie viele: Sie hat Bob Ross im Fernsehen gesehen, und entsprechende Ausbildungskurse besucht und dann ihren Job – sie leitete ein Bistro – geschmissen, um ihr Hobby endgültig zum Beruf zu machen. In der Schweiz gibt es mittlerweile auch bereits 25 Instruktoren wie Angelika Weile, längst hat die Zahl der deutschen Original-Bob-Ross-Lehrer die 100 überschritten. «Es ist keine hohe Kunst, die wir da auf die Leinwand bringen», sagt sie, «es ist das, was es ist: Hobbymalerei und eine Freizeitbeschäftigung.» Ein Hobby, das zufrieden macht.

Wer keine Angst vor dem Bob-Ross-Virus hat: Seit einem guten halben Jahr gibts den Dauerlächler mit der buddhistischen Gelassenheit auch in der Südostschweiz im Fernsehen. Jeweils an den drei ersten Sonntagen im Monat, ab 18.30 Uhr und dann stündlich in der Wiederholung. Pesche Lebrument, Chefredaktor von Tele Südostschweiz (TSO), ist zufrieden mit den Einschaltquoten: «Im Durchschnitt sehen rund 45 000 Personen die Sendung.» Und das ist noch längst nicht alles, «wir bekommen viele Rückmeldungen auf die Sendereihe mit Bob Ross», sagt Lebrument. Darunter seien Leute, die Bob Ross noch aus der Kindheit kennen, aber auch solche, die den Pinselkünstler dank TSO ganz neu entdecken. Damit auch in der Südostschweiz, ganz nach dem Motto von Bob Ross, niemand vergisst: Jeder kann malen.

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