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Peugeot-Citroën schockt ganz Frankreich

Erstmals seit 20 Jahren schliesst ein französischer Autobauer wieder eine Fabrik: PSA Peugeot-Citroën baut Tausende von Arbeitsplätzen ab. Ein Hauptgrund ist die Krise in Südeuropa.

Südostschweiz
13.07.12 - 02:00 Uhr

Von Stefan Brändle

Paris. – «Les Peugeot», wie die Arbeiter des gleichnamigen Herstellers genannt werden, befürchteten Schlimmes. PSA-Konzernchef Philippe Varin übertraf gestern aber alle Erwartungen, als er den Abbau von mehr als 8000 Stellen ankündigte. Die Fabrik Aulnay-sous-Bois in der Nähe des Pariser Flughafens wird ganz geschlossen – 3000 Jobs fallen weg. Der Standort Rennes in der Bretagne verliert 1600 Stellen. Weitere 3600 Arbeitsplätze entfallen in der Verwaltung sowie in den Bereichen Forschung und Verkauf.

Als Grund nannte Varin vor dem Betriebsrat den Einbruch des europäischen Automarkts. PSA leide darunter mehr als andere Marken, weil der Konzern «in Südeuropa stark exponiert» sei und weil er bei den Kleinwagen besonders viel Marktanteile verloren habe. Die Produktion sei im ersten Halbjahr um 18 Prozent eingebrochen. Die von Kurzarbeit betroffenenen PSA-Fabriken in Europa seien nur noch zu 76 Prozent ausgelastet. Nach Ansicht von Autoexperten ist eine Auslastung unter 80 Prozent nicht mehr rentabel. Varin schätzt den operativen Verlust für das erste Halbjahr auf 700 Millionen Euro.

Erhitzte Gemüter

An die 100 000 PSA-Arbeiter in Frankreich gerichtet, meinte Varin, er wisse, «wie gravierend die Ankündigungen sind und welchen Schock und welche Emotionen sie im Unternehmen und in der Umgebung bewirken». Den Arbeitern in Aulnay würden betriebsintern und auch in Kooperation mit anderen lokalen Arbeitgebern Ersatzposten angeboten; die anderen Stellen würden möglichst nicht durch Entlassungen, sondern frühzeitige Abgänge gestrichen.

Diese Worte vermochten die Gemüter in Frankreich freilich nicht zu beruhigen. Viele Medien nannten die Abbaupläne einen «Donnerschlag». Der Minister für produktiven Aufschwung, Arnaud Montebourg, sprach von einem «Schock für die ganze Nation». Die Fabrik Aulnay war eng mit dem Namen Peugeot verknüpft und stand für die ganze französische Autoindustrie. Mit der Renault-Werkstätte Paris-Billancourt war 1992 letztmals eine Autofabrik in Frankreich geschlossen worden.

Auch Zulieferer betroffen

Der Chef der Gewerkschaft CGT, Bernard Thibauld, schätzt, dass die Schliessung einer Autofabrik viermal mehr Arbeitsplätze bei Zulieferern kosten wird. Bei PSA in Aulnay arbeiten mehrheitlich Immigranten. Im betroffenen Departement Seine-Saint-Denis liegt die Arbeitslosigkeit ortsweise schon heute bei 30 Prozent; von dort waren in der Vergangenheit die meisten Banlieue-Krawalle ausgegangen. Die Regierung reagierte denn auch ungewöhnlich scharf auf die PSA-Pläne. «So etwas kann man nicht akzeptieren», meinte Sozialministerin Marisol Touraine. Frankreich habe die Automobilindustrie mit vier Milliarden Euro unterstützt, doch die seien offenbar «verschwunden». Premierminister Jean-Marc Ayrault kündigte an, er werde das Versprechen von PSA, allen Arbeitern Ersatz zu bieten, genau überwachen. Ende Monat werde seine Regierung einen Plan zur Unterstützung der nationalen Autoindustrie vorlegen.

Keine Hilfe vom Staat

PSA-Chef Varin sträubt sich allerdings teilweise gegen Staatshilfen. «Geld in den Konzern zu stecken, füllt unsere Fabriken auch nicht», entgegnete er eher forsch. Noch entschiedener lehnt PSA einen Kapitaleinstieg der Behörden ab, wie er beim ehemaligen Staatskonzern Renault der Fall ist. Die Peugeot-Familie wahrt seit jeher Distanz zur öffentlichen Hand. Lieber verkaufte sie in den letzten Monaten ihren historischen Firmensitz in Paris sowie mehrere Mietauto- und Ersatzteil-Filialen.

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