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Pankraz Freitag: «Calmy-Reys Rücktritt war konsequent»

Der Rücktritt von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey kommt für die Glarner Parlamentarier in Bern nicht überraschend. Erwartet hatte ihn auch der Glarner SP-Präsident Thomas Kistler. Trotzdem bedauert er Calmy-Reys Abgang.

Südostschweiz
09.09.11 - 02:00 Uhr

Von Marco Lüthi

Glarus/Bern. – Ende Juni gab sich die Bundespräsidentin an der Gemeindeversammlung von Glarus Süd in Schwanden noch sehr volksnah. Sie wollte von der Bevölkerung erfahren, wo diese der Schuh drückt. Doch nun hat Micheline Calmy-Rey nach neun Jahren im Bundesrat genug. Am Mittwoch gab sie ihren Rücktritt als Bundesrätin bekannt.

Dass Calmy-Rey auf Ende Jahr ihren Hut nimmt, überrascht den Glarner Ständerat This Jenny (SVP) keineswegs. «Als langjähriger Parlamentarier habe ich mit ihrem Rücktritt schon im Frühling gerechnet.» Er habe in seiner Zeit in Bundes-Bern schon einige Rücktritte von Bundesräten miterlebt. Als einen möglichen Grund für Calmy-Reys Entschluss nennt er ihr Alter.

Ähnlich sieht das FDP-Ständerat Pankraz Freitag: «Calmy-Reys Rücktritt war zu erwarten, da sie mit ihren 66 Jahren das Rentenalter bereits überschritten hat und ihre Partei – die SP – dieses bekanntlich nicht erhöhen will.» Ihr Entscheid sei deshalb konsequent gewesen, findet Freitag. «Hätte sie sich nicht zu einem Rücktritt entschlossen, hätte sie bei einer Wiederwahl wohl mit entsprechenden Vorwürfen rechnen müssen.»

Verlust einer «guten Politikerin»

Nicht für eine Stellungnahme erreichbar war BDP-Nationalrat Martin Landolt. Wie für die anderen Glarner Bundesparlamentarier kommt für den Glaner SP-Präsidenten Thomas Kistler der Abgang von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey aber nicht aus heiterem Himmel. «Ich habe damit gerechnet. Denn aufgrund der Tatsache, dass sie bereits 66 Jahre alt ist und zum zweiten Mal das Amt als Bundespräsidentin inne hat, war ein Rückritt zum jetzigen Zeitpunkt durchaus realistisch», so Kistler. Calmy-Reys Abgang bedauert er allerdings sehr. «Mit ihr verliert die Schweiz eine gute Politikerin».

Alles nur Wahlkampftaktik?

Hauptsächlich sei Calmy-Reys Rücktritt Wahlkampftaktik der Sozialdemokraten, findet der Glarner SVP-Ständerat This Jenny. Davon verspreche sich die SP einen Schub für die bevorstehenden Parlamentswahlen.

«Die SP ist dadurch wieder im Gespräch und kann sich mit den eigenen Leuten profilieren», schlägt auch Freitag in die gleiche Kerbe. Denn im Moment stehe Calmy-Reys Partei nicht gerade gut da. Allerdings habe der Rücktritt zwei Seiten. Denn je nachdem, wie die Parlamentswahlen in wenigen Wochen ausgingen, könne es für die SP sehr eng werden, wenn sie Calmy-Reys Bundesratssitz erfolgreich verteidigen wolle, sagt Freitag.

Ob die SP-Bundesrätin wirklich jetzt zurückgetreten sei, um ihre Partei für die Wahlen wieder ins Gespräch zu bringen, wie This Jenny vermutet, kann Thomas Kistler nicht sagen. Was er wisse, sei lediglich, dass ihr Abgang mit der Parteispitze besprochen worden sei.

Berset mit guten Chancen

Kaum ist Calmy-Reys Rücktritt bekannt, dreht sich das Kandidatenkarussell schon munter. So werden derzeit unter anderem ihre Westschweizer Parteikollegen Pierre-Yves Maillard und Alain Berset als mögliche Nachfolger gehandelt.

Dass der Freibuger Ständeratskollege Berset durchaus gute Chancen habe, finden auch die beiden Glarner Ständeräte This Jenny und Pankraz Freitag. «Er machte seine Arbeit bisher sehr gut und steht deshalb auch hoch im Kurs», so Jenny.

Doch bis zur Wahl am 14. Dezember in der vereinigten Bundesversammlung wird sich das Kandidaten- karussell noch einige Male drehen.

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