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Oscar Peers Opus magnum strömt immer mächtiger dahin

Seit Jahren ist das Buch «La rumur dal flüm» von Oscar Peer ausverkauft. Jetzt gibt es eine neue Version, die sowohl sprachlich als auch inhaltlich Entdeckenswertes enthält.

Südostschweiz
13.10.11 - 02:00 Uhr

Von Fadrina Hofmann

Chur. – Wer bis vor Kurzem in eine Buchhandlung ging und nach «La rumur dal flüm» von Oscar Peer fragte, wurde enttäuscht. Das 1999 auf Rätoromanisch erschienene Werk ist bereits seit sechs Jahren ausverkauft. Jetzt gibt es aber eine neue Ausgabe des Buches. Dabei handelt es sich nicht um einen Nachdruck des vergriffenen Werks, sondern um eine vom Autor überarbeitete Version. Liebhaber des romanischen Schriftstellers kommen also mit dieser Neuausgabe der Chasa Editura Rumantscha gleich doppelt auf ihre Kosten.

In «La rumur dal flüm» werden zwei Geschichten erzählt. Einerseits schildert Peer seine Kindheit und Jugend im Engadin der Dreissiger- und Vierzigerjahre. Andererseits ist es die Geschichte eines fiktiven älteren Mannes, der sich an dieses Leben erinnert und in seiner Erzählung rekonstruiert. Das Buch ist zugleich Autobiografie und zeitgeschichtliches Zeugnis. Wer die Familie Peer kannte, wird die eine oder andere Figur oder Anekdote wiedererkennen, für alle anderen Leser ist es aber unmöglich zu erfahren, was in diesem Buch Wirklichkeit und was Fiktion ist. Gerade diese Authentizität ist das Bestechende an «La rumur dal flüm».

Zurück zur Vergangenheitsform

Die Änderungen in der Neuausgabe sind vor allem in der Sprache zu finden. Peer hat viele Zeitangaben vom Präsens in die Vergangenheit geändert. «Mich hat bei der ersten Ausgabe gestört, dass die Vergangenheitsform in der Geschichte fehlte», begründet der 83-jährige Autor seinen Entscheid. Auch bei anderen überarbeiteten Werken habe er mehr Vergangenheit in die Sprache eingeflochten. «Ich bin in den vergangenen paar Jahren tatsächlich zur Vergangenheitsform zurückgekehrt», sagt Peer. Neben der sprachlichen Überarbeitung hat er auch inhaltliche Änderungen gemacht. Kleinere, sich wiederholende Passagen sind verschwunden, neue Episoden sind hinzugekommen. So schildert Peer die Leidenschaft des Vaters – einem treuen Mitarbeiter der Rhätischen Bahn – für seine Honigbienen. Oder er erzählt die Geschichte von Barnabà, einem Aussenseiter, dem ein Krebsleiden das Gesicht zerfrisst. «Gerade bei einem autobiografischen Werk kommen immer wieder neue Erinnerung hoch, die ebenfalls wichtig scheinen», erklärt Peer diese neuen Erzählelemente. Sogar der letzte Satz des Buches ist ein anderer als in der ersten Ausgabe. Das Buch endet neu mit einem Gefühl und nicht mehr mit einer Szene. Beim Vergleich merkt der Leser, dass gerade solche Details der ganzen Geschichte mehr Tiefe geben.

«Ein Werk entwickelt sich und wächst. Mit der Arbeit entstehen immer wieder neue Aspekte», meint Peer. Das ganze Werk sei eine Entwicklung der Erinnerung und auch eine Form der Progression. Seitdem die erste Ausgabe im Handel erhältlich war, wollte Peer eine neue Version schreiben. 2001 erschien die französische Übersetzung «La rumeur du fleuve», 2007 folgte die vom Autor verfasste deutsche Ausgabe «Das Raunen des Flusses». Eine italienische Übersetzung der Neuausgabe ist jetzt in Planung.

«Ein Schatz, der sich nie erschöpft»

«La rumur dal flüm» liegt Peer von all seinen Werken am meisten am Herzen. «Diese Geschichte habe ich aus dem eigenen Fundus geschrieben und das eigene Leben ist ein Schatz, der sich nie erschöpft», so der Autor. Oscar Peer hat seine Geschichte gern – die Leser übrigens auch.

Oscar Peer: «La rumur dal flüm». In Rumantsch Vallader. Verlag Chasa Editura Rumantscha, 320 Seiten, 24 Franken.

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