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Ohne Lobby kämpfen Bürger gegen das Tierseuchengesetz

Die Gegner des neuen Tierseuchengesetzes gehen ohne Parteien im Rücken auf Stimmenfang. Sie stossen auf viel Zustimmung. Das Misstrauen gegenüber den Behörden und der Pharmaindustrie sei gross, sagt eine Ammler Aktivistin.

Südostschweiz
04.11.12 - 01:00 Uhr

Von Marc Allemann

«Ich gehen nie stimmen», sagt der Mann schroff und geht weiter in Richtung Bahnhof Rapperswil. Monika Selimi hält ihm noch einen Flyer hin, vergeblich. Die Ammlerin ist mit zwei Mitstreiterinnen, Eve Arnolt und Sybille Kölbener, auf dem Fischmarktplatz. «Hier hat es aber viele Ausländer», fällt ihr auf.

Es ist ein sonniger Nachmittag. Und tatsächlich hat es auf dem Fischmarktplatz viele Ausländer. Da Touristen nicht stimmen dürfen, sind sie für die Aktivistinnen uninteressant.

Die drei Frauen sind aber hartnäckig. Immer wieder gehen sie auf wildfremde Leute zu und versuchen sie in ein Gespräch zu verwickeln.

«NEIN zu unserer Entmündigung» steht auf einem der Flyer, die sie verteilen. Bedrohliche Spritzen hängen über knuddligen Tieren. Über dem Matterhorn thront das bedrohlich wirkende Logo der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Die Frauen erfahren nicht nur Ablehnung. Erstaunlich oft stossen sie auf offene Ohren. «Zwei Drittel der Leute, die ich anfrage, wollen beim Tierseuchengesetz ein Nein einlegen», sagt Eve Arnolt aus dem Kanton Zürich. «Tiere, die artgerecht gehalten werden, haben ein starkes Immunsystem. Die brauchen gar keine Impfungen gegen Seuchen», ist eines ihrer Argumente gegen das neue Gesetz, über das am 25. November abgestimmt wird (siehe Box).

Kampfgenossin aus dem Puschlav

Die Dritte im Bunde, Sybille Kölbener, arbeitet auf einem Bio-Demeter-Betrieb im Puschlav. Seit sie miterlebt hat, wie viel Druck bei Seuchenimpfungen auf die Landwirte ausgeübt wird, ist sie zur vehementen Impfgegnerin geworden.

Auch Kölbener spricht eifrig Passanten an. Wenn die Frauen jemanden an der Angel haben, ziehen sich die Gespräche oft in die Länge. «Wir Schweizer sollten lieber zu uns selber schauen, statt immer die Probleme der ganzen Gesellschaft lösen zu wollen», sagt ein braungebrannter Herr. Statt über das Tierseuchengesetz zu reden, ereifert er sich grundsätzlich über sein Misstrauen gegenüber der Regierung. «Es ist himmeltraurig, wenn der Staat uns anlügt», sagt er.

So geht es oft. Die Gegner des neuen Gesetzes finden viel Zuspruch von der misstrauischen Masse. Sie lasse ihre Kinder nie impfen, sagt eine Frau beim Glace-Stand. Den Pharma-Firmen gehe es ohnehin nur ums Geld. Dieser Meinung ist auch ein Pfleger, der mit seinen Hunden unterwegs ist.

Die impfkritischen Frauen stürzen sich besonders gern auf Hundebesitzer. Denn schliesslich müssten diese um das Wohl von Tieren besorgt sein.

Auf die Unterstützung der Politiker können die Abstimmungshelfer nicht zählen. Im Nationalrat stimmten 192 Parlamentarier für das Tierseuchengesetz. Nur der St. Galler Nationalrat Walter Müller (FDP) traute sich, ein Nein einzulegen. Der Schänner Nationalrat Jakob Büchler (CVP) enthielt sich seiner Stimme, genau wie die SVPler Yvette Estermann und Lukas Reimann.

Der Bauernverband und alle Parteien ausser der SVP treten für ein Ja ein. «Die SVP-Basis hat sich gegen den Willen der Fraktion gegen das Gesetz ausgesprochen», freut sich Selimi. Es ist ein unerwarteter Sieg, der den Impfgegnern Hoffnung macht.

Gegner haben unterschiedliche Motive

Die Ammlerin Selimi ist eine der vielen Fusssoldaten, die gegen das Tierseuchengesetz auf Stimmenfang gehen. Ohne Partei, ohne Lobby sind sie unterwegs. Auch der Landwirt Josef Zahner aus Kaltbrunn reist in diesen Tagen in der halben Schweiz herum. In der Region ist er fleissig dabei, Plakate aufzustellen. Dazu muss er Privatgrundbesitzer überreden, ihm ihren Boden zu überlassen.

Der Impfkritiker sammelte im Alleingang mehrere Tausend Unterschriften für das Referendum. Seine Überzeugungen lässt sich Zahner auch etwas kosten. Weil er seine Tiere nicht gegen die Blauzungenkrankheit impfen lassen wollte, nahm er eine Busse und Gerichtsprozesse in Kauf.

Die Gegner des Tierseuchengesetzes sind eine buntgemischte Truppe. Im Komitee findet man politisch unabhängige Landwirte, radikale Impfgegner sowie einen grünen Kantonsrat. Daneben hat sich auch die Gruppe «Frauen gegen das Tierseuchengesetz» formiert, die Angst vor Impfrückständen in der Nahrung hat. Selimi ist in keinem Komitee. Sie befürchtet, das Tierseuchengesetz sei nur ein Vorbote für einen Impfzwang beim Menschen.

Den Landwirten Kölbener und Zahner geht es hingegen vor allem um das Wohl ihrer Tiere. Doch so unterschiedlich die Motive der Gegner auch sein mögen, in einem Punkt sind sie sich einig: Das Tierseuchengesetz gebe dem Staat zu viel Macht und entmündige den Bürger. «Wir wollen niemandem das Impfen verbieten», sagt Selimi. Aber es solle auch niemand dazu gezwungen werden.

Bern. – Mit dem revidierten Tierseuchengesetz, über das am 25. November abgestimmt wird, sollen Seuchen besser bekämpft werden können. Laut Bundesrat dürften sich Tierseuchen durch Globalisierung und Klimawandel in der Schweiz häufen. Der Bund soll bei der Prävention und Vorbereitung von Seuchen mehr Kompetenzen erhalten. Keine Änderungen gibt es bezüglich Impfobligatorien. Der Bund kann, wenn das Parlament zustimmt, bereits heute die Impfung von Tieren als obgligatorisch erklären. Dies passierte etwa bei der Blauzungenkrankheit 2008. (so)

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