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Neue US-Klage gegen Grossbanken

Justiz Der US-Bundesstaat Virginia verklagt 13 Banken – darunter die Credit Suisse und die UBS – auf Schadenersatz von 1,15 Milliarden Dollar.

Südostschweiz
19.09.14 - 02:00 Uhr

Auf den ersten Blick klingt der Vorwurf altbekannt: Auf 317 Seiten beklagt sich der US-Staat Virginia in einer am Dienstag publik gemachten Zivilklage, dass er von 13 namentlich genannten Grossbanken systematisch übers Ohr gehauen worden sei. Mit dem Verkauf von Wertpapieren, die auf faulen Hypotheken basierten, hätten die Finanzinsti­tute dem staatlichen Pensionskassensystem einen Verlust von 383 Millionen Dollar zugefügt, donnerte Virginias Justizminister Mark Herring in einer Pressekonferenz. Und weiter: «Es spielt keine Rolle, ob es sich um einen kleinen Ganoven oder um eine milliarden­schwere Wall-Street-Bank handelt.» Wer versuche, die 600?000 pensionierten Beamten und Lehrer im Ostküstenstaat zu betrügen, der müsse mit harten Konsequenzen rechnen, sagte der demokratische Politiker an die Adresse von JP Morgan Chase, Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs, HSBC, Barclays, Deutsche Bank, Morgan Stanley, Credit Suisse und UBS.

Landesweite Klagen

So weit, so bekannt. Ähnliche Klagen wie diese sind im Zuge der Finanzkrise bereits landesweit eingereicht worden; von staatlichen Stellen in Washington, Pensionskassen oder Privaten. Neu an der «historischen Klage» (Herring) ist aber ihre Entstehungsgeschichte. Obwohl die Klageschrift erst am Dienstag publik gemacht worden ist, wurde die Klage bereits am 24.?Januar 2014 bei einem Lokalgericht in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, eingereicht. Sie beruht auf Informationen eines Finanzanalysten aus Austin (Texas), einer Firma mit dem Namen Integra REC, die in der Klageschrift als «Whistleblower» bezeichnet wird. Integra REC soll über ein «höchst ausgeklügeltes» Analysesystem verfügen, das einen Vergleich zwischen dem Prospekt der fraglichen Wertpapiere und den zu Grunde liegenden Hypotheken und Immobilien zulasse – Informationen also, die der staatlichen Pensionskasse von Virginia zum Zeitpunkt der Transaktion nicht zugänglich waren. Integra REC will 220 Wertpapiere mit der Bonität AAA analysiert haben, die insgesamt 785?000 Hypotheken umfassten. 40 Prozent dieser Darlehen wiesen gemäss In­tegra REC ein weit höheres Risiko auf als von den ausgebenden Banken behauptet. 16 der 220 Wertpapiere wurden durch die Credit Suisse verkauft, 12 durch die UBS.

Marktwert falsch dargestellt

Ein Beispiel aus der langen Klageschrift: Am 30.?Juni 2006 veröffent­lichte die Credit Suisse den Prospekt für das Anlagevehikel «Home Equity Asset Trust 2006-5». Darin stand unter anderem, dass sich 96,3 Prozent der gebündelten Hypotheken im Besitz von Menschen befänden, die im eigenen Haus wohnten. Diese Zahl deutet an, wie viele Spekulationsobjekte sich unter den Hypotheken befinden. In Tat und Wahrheit aber, sagen Integra REC und der Staat Virginia, habe diese Quote bei 88,9 Prozent gelegen. Auch habe die Credit Suisse die Anleger über den Marktwert der Immobilien offenbar getäuscht. Der Prospekt behaup­tete, kein Hausbesitzer sei «unter Wasser» gewesen: in keinem Fall übersteige der Wert der Hypothek den Marktwert der Immobilie. Tatsächlich seien aber 11,6 Prozent der gebündelten Hypotheken «under water» gewesen, wie der umgangssprachliche Ausdruck lautet.

Fast neun Monate unter Verschluss

So geht es weiter, Seite für Seite, Wertpapier für Wertpapier. Credit Suisse und UBS wollten gestern auf Anfrage nicht Stellung nehmen zu diesen Vorwürfen. Aber auch die Klägerseite gab sich schweigsam auf Fragen nach den Motiven des angeblichen «Whistleblowers». Versuche, die seit 2012 in Austin (Texas) registrierte Integra REC telefonisch oder per E-Mail zu erreichen, schlugen fehl. Die Firma besitzt nur eine äusserst dürftige Internetpräsenz. Ein Anwaltsbüro in der texanischen Hauptstadt, das Integra REC vertritt, gab keinen Kommentar ab. Dem Whistleblower würden 15 bis 25 Prozent des Schadenersatzes zugesprochen, sollte die Schadenersatzklage Erfolg haben. Und auch der Sprecher von Justizminister Herring wollte nicht sagen, warum die Klage fast neun Monate unter Verschluss gehalten wurde.

Die eingeklagten Banken haben nun 20 Tage Zeit, auf die Vorwürfe bei Gericht zu reagieren.

Renzo Ruf, Washington

wirtschaft@luzernerzeitung.ch

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