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Nato – und wie weiter?

Während sechs Jahrzehnten hat die Nato die politische Morphologie dieses Planeten verändert. In der jüngsten Vergangenheit erlangen gewalttätige Geschehnisse geostrategische Bedeutung.

Südostschweiz
20.02.11 - 01:00 Uhr

Sie lassen die Frage aufkommen, ob sich das Nordatlantische Bündnis nicht in seiner strategischen Dimension überschätzt und zunehmend das Gegenteil von dem erzeugt, was ursprünglich der Sinn der Organisation war: einen dauerhaften Frieden (in Europa?) aufrecht zu erhalten.Es darf den Alliierten zugute gehalten werden, nach dem Zweiten Weltkrieg die Kriegsmächte befriedet zu haben. Der Westen hat aus der Geschichte gelernt und die Fehler des Waffenstillstands von Compiègne vom 11. November 1918 zwischen dem Deutschen Reich und der Entente nicht wiederholt. Die Nato hat den Europäern Sicherheit im Umgang mit den damaligen hegemonialen Ansprüchen der Sowjetunion garantiert und einen wichtigen Beitrag zur Bereinigung des Kalten Krieges geleistet. Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen geben aber zur bangen Frage Anlass, wie geht es am Hindukusch, in Palästina und in Nordafrika weiter?Die globale Sicherheit hat sich verschlechtert. Das hochgejubelte Global Village ist in der Finanzkrise von der Zukunftsvision zum Schreckgespenst verkommen. Die Nato ist nicht mehr die stabile Organisation, welche den humanitären, gesellschaftlichen, ethnischen und religiösen Irr- und Wirrnissen unserer Zeit erfolgreich die Stirn bietet.Die Europäer empfinden – realistischer als die Amerikaner – die ökonomische Gefährdung des transatlantischen Westens durch den wirtschaftlichen Aufschwung des Riesen China als bedrohend. Auch die Leistungen Indiens haben zur Verminderung des Einflusses der Industrienationen im asiatisch-pazifischen Raum beigetragen.Ein weiteres Problem ist die schnelle und mit wenig sensibler Hand geförderte (Ost-)Erweiterung des Bündnisses auf 28 Mitgliedstaaten, von denen nicht wenige unstabil, ökonomisch bankrott und von Geberländern abhängig sind.Das Nordatlantische Bündnis muss eine Strategie verabschieden, die Russland Handlungsfreiheit gewährt. Es muss die Kunst der Nato-Politik sein, den Frieden so zu konsolidieren, dass Russland in eine engere Beziehung mit der Euro-Atlantischen Gemeinschaft eingebunden werden kann. Der Russland-Nato-Rat hat einen Arbeitsplan für die militärische Zusammenarbeit gebilligt.Entscheidend ist, dass die Nato sich zurückhält eine weltweite militärische Organisation bestehender, angeblicher oder angehender Demokratien werden zu wollen. Deutlich wird im irreversiblen Afghanistandebakel, dass die europäischen Nationen sich endlich von der in der Nato prädominierenden Politik der USA distanzieren.

Roy Kunz ist ehemaliger Kommandant der Glarner Kantonspolizei und Dozent für Staatsrecht und internationales Polizei- und Sicherheitsrecht.

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