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Nationalpark? In «Hinterindien» links

Ganz einfach war es nicht, den Schweizerischen Nationalpark zu gründen. In der entscheidenden Nationalratsdebatte vom 25. März 1914 beispielsweise wehrten sich einige Räte mit Schreckensvisionen gegen den «Raubtierpark».

Südostschweiz
26.07.14 - 02:00 Uhr

«Ein Bär ist nur gutmütig, solange er gefüttert wird.» Nein, es streift nicht wieder Meister Petz durch Graubünden. Dieses Zitat stammt vom Glarner Nationalrat und Advokat David Legler, der sich am 25. März 1914 im Parlament vehement gegen die Errichtung eines Schweizerischen Nationalparks im Engadin aussprach. Mühselig hätten die ersten Menschen Raubtiere beseitigt, Urwald gerodet und Land urbar gemacht. «Heute wollen wir zurückkehren zum Naturzustand und was vor Jahrtausenden war, wieder einführen.» Er befürchtete, dass einem bewilligten Projekt auch andere folgen würden und unter Umständen «das halbe Land» wieder in seinen Urzustand versetzt werde. «Lassen Sie dieses Projekt in Hinterindien, woher es stammt», plädierte er für Nichteintreten auf die Vorlage.

Die Angst vor dem Bären

Grosse Ängste schürte Legler auch um die Raubtiere, allen voran um den Bären. Er liess dabei «schon mal die Fantasie mit sich durchgehen», wie Historiker Stefan Bachmann in einer Publikation zu den Nationalparkpionieren schreibt: Mit der Wiederansiedlung von einer «edlen Tierart» wie dem Steinbock könne man sich ja noch anfreunden, aber bei Bär, Geier, Luchs und Wildkatze höre der Spass auf. «Die Wildkatze, dieses abscheuliche Tier, wird alle Vögel massenhaft vernichten und den ganzen Vogelbestand kolossal dezimieren. Ganz zu schweigen von Adler und Lämmergeier, die ja sogar Kinder in die Lüfte tragen.» Die anderen Räte relativierten, schlimmstenfalls gäbe es ja noch die Bärenklausel, die allenfalls den Abschuss des Bären genehmige. Leglers Gegner waren Naturschützer, die nicht nur ein Zeichen gegen die stetig zunehmende «Geldwirtschaft» setzen, sondern auch «die natürliche Schönheit des Landes» erhalten wollten. Sie waren in der Überzahl. Bereits lange bevor das Thema auf landespolitischem Parkett dis- kutiert wurde, hatte das Projekt Nationalpark einige Hürden zu nehmen. Sabrina Bundi

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