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Mitten im Tod sind wir vom Leben umfangen

Der Tod betrifft uns alle, ob wir das wollen oder nicht. Mit dem Thema Tod wird verschieden umgegangen. Für die einen ist es tabu, für die anderen die grösste Selbstverständlichkeit.

Südostschweiz
01.11.14 - 01:00 Uhr

Von Lukas Hidber, Dekan des Dekanats Uznach

Für viele wird es wohl dazwischen liegen. Für die einen bedeutet der Tod Erlösung, für die anderen ist er eine Bedrohung. Wir alle wünschen uns ein Leben, das lange währt und wir danach glücklich, friedlich und dankbar für immer einschlafen können. Umso grösser kann dann die Enttäuschung oder Wut sein, wenn sich die Lebensgeschichte von Angehörigen oder auch von einem selbst nicht an das Drehbuch unserer Vorstellungen hält. Manche fürchten sich weniger vor dem Tod als vor dem Sterben.

Beinahe täglich hören wir Meldungen von Toten aus Krisengebieten wie der Ukraine, dem Nahen Osten und weiteren Kriegsorten, von Viren wie Ebola sowie Naturkatastrophen. Hierzulande sind es eher tödliche Unfälle oder Beziehungsdramen, über die wir in Kenntnis gesetzt werden. Dies sind nur einige Beispiele, die uns bewusst werden lassen, dass unser Leben vom Tod umfangen ist. In der Barockzeit war man sich dessen sehr bewusst. Bilder von Totentänzen zeugen davon. Sie illustrieren, dass man nirgends, weder auf dem Land noch in der Stadt noch auf dem Meer, vor dem Tod entfliehen kann.

Der Tod ist also allgegenwärtig. Solche Bilder können wir heute zum Beispiel auf der Spreuerbrücke – die zweite Holzbrücke in Luzern, die oft im Schatten der weltberühmten Kapellbrücke steht – betrachten. Diese Erfahrung, diese Realität finden wir auch in manchen Kirchenliedern aus der Barock- wie Neuzeit wieder, die sowohl im reformierten wie auch im katholischen Gesangsbuch zu finden sind wie «Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen» oder «Wir sind mitten im Leben zum Sterben bestimmt».

Der christliche Glaube bleibt aber nicht bei dieser Realität stehen. Es gibt da noch eine andere Wirklichkeit, wie sie Martin Luther und andere christliche Verfasser festhalten. Aus «Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen» wird aus Überzeugung «Mitten wir im Tod sind vom Leben umfangen». Der Tod und die Auferstehung von Jesus Christus gibt Anlass und Gewissheit dazu. Unzählige Menschen haben seit dann – über alle Konfessionsgrenzen hinweg – mit ihrem Leben Zeugnis davon gegeben.

In der Tradition der römisch-katholischen Kirche feiern wir dies am Fest von Allerheiligen am 1. November. Diese Gewissheit und Überzeugung hat irgendwann in ihrem Leben eine zentrale Bedeutung bekommen, sodass ihr Leben sowie ihre Lebensweise davon geprägt wurden. Dies – und nicht weil sie fehlerfrei oder perfekt gewesen wären – hat die Menschen bewegt, sie nach ihrem Tod zu verehren und auf ihre Fürbitte zu vertrauen, bis heute.

So stelle ich mir unter anderem die Gemeinschaft der Heiligen wie ein grosses Orchester vor, welches in unzähligen Variationen und Instrumentierungen über «Mitten wir im Tod sind vom Leben umfangen» musiziert. Dabei sind die Heiligen mit ihrer Lebensgeschichte und -länge so verschieden wie die Instrumente in einem Orchester. Gerade dies und das Fest Allerheiligen kann uns ermutigen, auf unsere je eigene Weise in dieses Lied einzustimmen und unser Leben davon prägen zu lassen. Die Heiligen könnten uns ein Lied davon singen …

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