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Mit Engadiner Luft weiter auf dem steinigen Weg nach oben

Arnold Gjergjaj ist der derzeit beste Schweizer Profiboxer. Vergangene Woche hat er sich in St. Moritz auf seine nächsten Kämpfe vorbereitet. Gjergjaj will spätestens im kommenden Jahr um einen grossen Titel boxen.

Südostschweiz
28.02.13 - 01:00 Uhr

Von Olivier Berger

Boxen. – Manche Gäste im St. Moritzer Luxushotel «Kulm» dürften vergangene Woche über den ungewöhnlichen Gast gestaunt haben: Mit seiner Grösse von 197 Zentimetern und einem Gewicht von rund 114 Kilo ragt der Basler ohnehin aus der Masse heraus. Und ein Profiboxer ist nicht unbedingt, was man im gediegenen Ambiente der Oberengadiner 5-Stern-Hotellerie erwarten würde.

Nach St. Moritz gelockt hat Gjergjaj nicht allein die Engadiner Höhenluft, wie Manager Angelo Gallina erklärt. Das Team habe vor allem mit «Kulm»-Fitnesstrainer Jopo Pötschger zusammenarbeiten wollen. «Er hat schon Stars wie verschiedene Formel-1-Fahrer und die Schwergewichts-Weltstars Vitali und Wladimir Klitschko trainiert.» Der Kontakt zum Hotel «Kulm» sei über Bekannte zustande gekommen, und Gjergjaj und sein Stab seien der Einladung nach St. Moritz gerne gefolgt, so Gallina.

Der derzeit höchstrangierte Schweizer Boxer

Gjergjaj ist der derzeit höchstrangierte Schweizer Boxer. In der Intercontinental-Rangliste des grossen Weltverbands IBF steht er auf Platz 15; die halbwegs repräsentative Datenbank Boxrec führt ihn als Schweizer Nummer 1. Der 28-Jährige hat alle seine bisher 20 Kämpfe gewonnen, davon 14 vorzeitig. Für Manager Gallina ist deshalb klar, dass jetzt ein nächster Schritt folgen soll. «Bald ist die Zeit reif für einen internationalen Titelkampf.» Entsprechende Angebote habe es bereits gegeben, «aber das war noch zu früh».

Zuletzt hat Gjergjaj ein Angebot ausgeschlagen, in Deutschland um einen grossen Titel zu boxen – für den Churer Franco Passanante ein Fehler. «Solche Gelegenheiten muss man wahrnehmen», sagt der Ex-Profi, der sich im April 2011 den Weltmeistergürtel des respektablen Verbands WBF umschnallen konnte. Dies, zumal Profiboxen in der Schweiz kein einfaches Geschäft sei. «Alle Schweizer Profis müssen nebenher arbeiten, wir betreiben das Boxen quasi als Hobby neben dem Beruf.» Da sei es schwierig, gegen Konkurrenz aus dem Ausland anzutreten, die dort im Sold eines Boxstalls stehe und sich ganz auf den Sport konzentrieren könne.

Die Familie als Hauptsponsor

Auch Gjergjaj, die aktuelle Schweizer Nummer 1, lebt nicht allein vom Boxen und von Sponsoren. «Sein Hauptsponsor ist seine Familie», sagt Manager Gallina. «Er arbeitet im Familienbetrieb und wird von seinen Angehörigen unterstützt.» Zweitgrösster Sponsor des Baslers – Kampfname: Cobra – sei der Boxclub seiner Heimatstadt. Profiboxen locke nur an der Spitze mit hohen Gagen. «Um einen Boxer aufzubauen, investiert man rund eine Viertelmillion Franken.» Kein Wunder, sagt Passanante: «Ohne starkes finanzielles Umfeld geht gar nichts.»

Dazu kommt, dass ein Titelkampf in der Schweiz eine teure Sache wird. Der Boxer muss die Veranstaltung selber organisieren, und allein die Gebühren der grossen Verbände belaufen sich rasch auf einige 1000 Franken. Zu Titelkämpfen im benachbarten Ausland wiederum werden die Schweizer selten eingeladen. «Ein deutscher Promotor hat kein Interesse daran, einem Schweizer eine Plattform zu bieten», betont Andreas Anderegg, der Präsident von Swissboxing.

Es fehlen die Strukturen für Spitzenleistungen

Dass das Interesse am Boxen fehlt, glaubt Anderegg allerdings nicht. Der Klitschko-Kampf vom vergangenen Jahr in Bern sei in Rekordzeit ausverkauft gewesen. «Und Boxer wie Fritz Chervet, Enrico Scacchia und Sepp Iten sind in der Schweiz auch von den Medien wahrgenommen worden.» Auch Manager Gallina ist vom Interesse überzeugt. Allerdings fehlten in der Schweiz die Strukturen für Spitzenleistungen. «Damit meine ich nicht nur das Geld, sondern es fehlen auch Personen mit Wissen, die das Ziel nachhaltig verfolgen.» Mit Gjergjaj will Gallina nun beweisen, dass im Box-Entwicklungsland Schweiz einiges möglich ist.

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