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Mit dem Rücktritt hat der Papst-Poker bereits begonnen

Gestern Abend um 20 Uhr ist das Pontifikat Benedikts XVI. zu Ende gegangen. Bis zur Wahl des neuen Papstes übernehmen im Kirchenstaat die beiden italienischen Kardinäle Angelo Sodano und Tarcisio Bertone das Kommando.

Südostschweiz
01.03.13 - 01:00 Uhr

Von Dominik Straub

Vatikanstadt/Rom. – Der weisse Helikopter der italienischen Streitkräfte, der den scheidenden Papst Benedikt XVI. zum Papstpalast von Castel Gandolfo bringen sollte, ist um 17.07 Uhr im Vatikan abgehoben; zum Abschied läuteten die Glocken von St. Peter. Eine Viertelstunde später ist er bereits auf dem Areal der päpstlichen Sommerresidenz südöstlich von Rom gelandet, wo er die nächsten zwei Monate verbringen wird. Zuvor hatte sich Joseph Ratzinger vom Kardinalskollegium verabschiedet und sicherte seinem Nachfolger «bedingungslose Achtung und Gehorsam» zu. In Castel Gandolfo winkte Benedikt von einem Balkon des Schlosses aus nochmals einer Gruppe von Gläubigen zu. Um 20 Uhr zerbrach der italienische Kardinal Tarcisio Bertone in Rom den Fischerring mit dem Siegel Benedikts, das Symbol der päpstlichen Macht. Damit war das Pontifikat Benedikts XVI. sieben Jahre, zehn Monate und neun Tage nach seiner Wahl zum Papst beendet.

Der Vatikan erlebt nun die Zeit des «leeren Stuhls»

Mit dem Brechen des Siegels beginnt im Kirchenstaat offiziell die Zeit der Sedisvakanz, die Zeit des «leeren Stuhls». Die gesamte zivile Gewalt des Papstes und die Leitung der Kirche gehen bis zur Wahl des neuen Papstes auf die Generalkongregation der Kardinäle über, die Gesamtheit der Kardinäle. Das Kardinalskollegium darf nur in dringenden Fällen und für die Zeit der Sedisvakanz Dekrete erlassen, die nur weiter gelten, wenn der neue Papst sie bestätigt. Die starken Männer der Generalkongregation sind der Kardinalsdekan Angelo Sodano und der Kardinalkämmerer («Camerlengo») Tarcisio Bertone, die nun im Wesentlichen die Amtsgeschäfte des Kirchenstaats führen werden.

Mit der Sedisvakanz hat gestern im Vatikan ein informelles «Vor-Konklave» begonnen: Bereits sind über 70 Kardinäle aus aller Welt in Rom eingetroffen. Die Kardinäle, die sich zum Teil kaum kennen, werden sich im Vatikan von nun an oft begegnen; sie werden erste Meinungen austauschen und einzelne Namen in die Runde werfen.

Bei diesen informellen Gesprächen ein bedeutendes Wörtchen mitreden wird der 85-jährige Sodano, unter dem ehemaligen Papst Johannes Paul II. Kardinalstaatssekretär und damit zweitmächtigster Mann des Vatikans nach Karol Wojtyla. Ebensoviel zu sagen haben wird Sodanos Nachfolger im vatikanischen Staatssekretariat unter Benedikt XVI., der 78-jährige Bertone. Der Einfluss Sodanos und Bertones basiert auf ihrer Vernetzung in der Kurie und ihren Funktionen bei der Vorbereitung und Durchführung des Konklaves.

Dekan Sodano wird voraussichtlich am Montag die erste Generalkongregation einberufen und bei dieser Gelegenheit die Kardinäle auf das kommende Konklave einstimmen. Wegen seines Alters wird Sodano nicht mehr selbst an der Papstwahl in der Sixtinischen Kapelle teilnehmen können. Aber am Tag des Konklaves wird er seinen Mitbrüdern die feierliche Messe «Pro Eligendo Romano Pontifice» («für die Wahl des Römischen Papstes») lesen und den wahlberechtigten Kardinälen nochmal ins Gewissen reden. Im Konklave selbst schlägt dann die Stunde von Bertone: Als Kämmerer wird er zusammen mit Kardinal und Zeremonienmeister Giovanni Battista Re die Papstwahl leiten.

Sodano und Bertone, zwei stolze Piemontesen, die sich gegenseitig überhaupt nicht mögen, gelten im Hinblick auf das Konklave als «Königsmacher»: Sodano ist die Referenzfigur derjenigen Kardinäle, die sich noch dem Erbe Wojtylas verpflichtet fühlen; Bertone ist der Anführer der Ratzinger-Fraktion. Eine echte Chance, selbst Papst zu werden, haben aufgrund ihres Alters aber beide nicht. Nach Ratzinger, der bei seiner Wahl ebenfalls 78-jährig gewesen war, werden die Kardinäle kaum erneut einen Fast-Achtzigjährigen zum Papst machen.

Ohnehin sollte die Rolle der beiden nicht überschätzt werden: Bündnisse im Hinblick auf die Papstwahl werden nicht nur im Vatikan geschmiedet. Die 115 wahlberechtigten Kardinäle sind auch über religiöse Schulen und Universitäten, Orden und Gemeinschaften untereinander verbunden. Da gibt es länderübergreifend die Anhänger der Fokolar-Bewegung und die Sympathisanten der Laienbewegung Sant’Egidio, in der Villa Tevere treffen sich die Freunde und Mitglieder des Opus Dei, in der Villa Nazareth finden die Treffen des Diplomaten-Flügels der Kurie statt. Es sind mannigfache unsichtbare Fäden, welche die verschiedenen Seilschaften vor dem Betreten der Sixtinischen Kapelle miteinander verbinden.

Absprachen sind verboten

Wahlabsprachen sind laut der vom früheren Papst Johannes Paul II. erlassenen Apostolischen Konstitution «Universi Dominici Gregis» ohnehin strengstens verboten. Mit seinem am Montag erlassenen «Motu Proprio» verbot Benedikt in einer seiner letzten Amtshandlungen zudem den beteiligten Kardinälen, sich gegenüber Dritten und besonders den Medien zur Papstwahl oder deren Vorbereitungen zu äussern – sonst droht die sofortige Exkommunikation. Der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn hatte zuvor betont, dass der Heilige Geist den nächsten Papst ohnehin schon gewählt habe. «Die Aufgabe der Kardinäle ist es, diesen auch herauszufinden.»

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