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Mit Bürokratie-Stopp gewinnt die FDP keinen Blumentopf

Die Freisinnigen sind mit ihrer Bürokratie-Stopp-Initiative beinahe gescheitert. Das knapp verhinderte grosse Debakel deckt schonungslos auf, woran die FDP krankt. Eine Analyse.

Südostschweiz
13.04.12 - 02:00 Uhr

Von Simon Fischer

Bern. – Dass es für die FDP eng werden würde bei der Unterschriftensammlung für ihre Volksinitiative «Bürokratie-Stopp», war längst klar. Dass es am Ende aber eine derartige Zitterpartie um einige wenige Unterschriften geworden ist, hat offenbar sogar die Partei selber überrascht. So kündigte sie gestern kurz vor 10 Uhr an, die Einreichung der Initiative bei der Bundeskanzlei werde nicht wie ursprünglich geplant um 17.30 Uhr, sondern erst um 20.45 Uhr über die Bühne gehen. Der Grund: In einigen Gemeinden waren die letzten Unterschriftenbögen erst am Mittwoch per B-Post verschickt worden. Und weil jede Unterschrift zählte, traf die FDP mit der Post eine Vereinbarung, damit diese Bögen am gestrigen Abend doch noch rechtzeitig in Bern ablieferte.

Die Aktion kostete die FDP einen «tiefen vierstelligen Betrag», wie Sprecher Noé Blancpain auf Anfrage erklärte. Gut möglich, dass ebendiese Feuerwehrübung den Ausschlag gab, dass am Ende doch noch 650 beglaubigte Unterschriften mehr als die benötigten 100 000 zusammenkamen. Und der Freisinn sorgte für ein Novum: Noch nie kam es vor, dass die Bundeskanzlei ausserhalb der Bürozeiten auf die Einreichung einer Initiative warten musste.

Ein Schuss in den Ofen

Die einst stolze FDP ist nun zwar mit einem blauen Auge davongekommen. Dass sie mit ihrem nicht sonderlich populären Volksbegehren aber beinahe Schiffbruch erlitten hätte, ist peinlich. Nicht zuletzt deshalb, weil die Initiative im letzten Jahr zum FDP-Wahlkampfvehikel hochstilisiert worden war. Verloren gingen die letzten Wahlen trotzdem – oder eben gerade weil die Partei im Kampf um Wählerstimmen auf die falschen Themen gesetzt hatte.

Andere Parteien bekunden hier weniger Mühe. Die CVP etwa dürfte ihre ebenfalls im Wahlkampf lancierten Familieninitiativen problemlos zustande bekommen. Und die SVP reichte ihre Initiative «Gegen Masseneinwanderung» Mitte Februar mit gegen 140 000 Unterschriften ein.

Woran also liegt es, dass es bei der FDP derart harzt und sie ihr Verliererimage nicht abstreifen kann? Zumindest der designierte neue Parteipräsident Philipp Müller scheint einen Teil des Problems erkannt zu haben. Der Aargauer Nationalrat wird nicht müde zu betonen, dass die FDP zwar gute Sachpolitik betreibe, dies der Wählerschaft aber schlicht nicht vermitteln könne. Das stimmt zwar, ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn wer denkt, er könne mit dem Schlagwort «Bürokratie-Stopp» in einem der am effizientesten organisierten Staaten der Welt Wahlen gewinnen, ist schlicht auf dem falschen Dampfer. Das Thema zieht nicht bei der Bevölkerung, und das hat man schon während des Wahlkampfs auch in der FDP gemerkt. Weshalb die Partei damals, statt eine Kurskorrektur vorzunehmen, stur auf ihrer Linie blieb, wird ihr Geheimnis bleiben.

Kein Populismus, aber Bürgernähe

Der neue Parteipräsident muss nun rasch über die Bücher. Es geht nicht darum, auf populistische Themen zu setzen, wie es die Polparteien gerne tun. Trotzdem sollte die Partei vermehrt dort ansetzen, wo aus Sicht der Bevölkerung der Schuh wirklich drückt. Das sollte die FDP spätestens gestern gemerkt haben.

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