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Ministerin Schavan kämpft gegen die politische Logik

Am Dienstag hatte Deutschlands Bildungsministerin Annette Schavan ihren Doktortitel verloren. Gestern erklärte sie, sie werde den Entscheid anfechten und nicht zurücktreten. Doch im Wahlkampf würde sie so zur Hypothek für die CDU.

Südostschweiz
07.02.13 - 01:00 Uhr

Von Fritz Dinkelmann

Berlin. – Es klang nicht unglaubwürdig, als SPD-Chef Sigmar Gabriel am Dienstagabend zum Fall Annette Schavan Stellung nahm und mit auffällig warmen Worten bedauerte, dass die von ihm sehr geschätzte Ministerin nun ihren Doktortitel verloren habe. Gabriel suchte die richtigen Worte, Worte für Schmach, und stellte sich so hin, als ob er seine politische Gegnerin schützen wollte. Aber, so sympathisch es auch ist, wenn Politiker gelegentlich erkennen lassen, dass sie sich nicht nur in heftigen Parlamentsdebatten begegnen, sondern auch über Parteigrenzen hinweg persönlich mögen – so politisch irrelevant ist das bei dieser Geschichte. Denn fast gleichzeitig forderte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles knochentro- cken Schavans Rücktritt. Und Grünen-Fraktionschefin Renate Künast wünschte der Ministerin, dass sie «sich und der Wissenschaft die Verlängerung dieser Affäre erspart».

Einen Rücktritt der Bildungsministerin fordert auch der Deutsche Hochschulverband, und in Berlin brodelt es an der Namensbörse für mögliche Nachfolger. Offiziell hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ihrer engen Vertrauten gestern ihr volles Vertrauen ausgesprochen und angekündigt, nach der Rückkehr von Schavan aus Südafrika würden sie «in Ruhe miteinander reden».

«Systematisch und vorsätzlich»

Der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät der Uni Düsseldorf hatte Schavan die Doktorwürde mit 13 Ja Stimmen bei zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung entzogen. Das Gremium war zum Urteil gekommen, sie habe als Doktorandin vor über 30 Jahren eine Arbeit abgeliefert, in der sie «systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation» verteilt «gedankliche Leistungen» vorgespiegelt habe, die sie «in Wirklichkeit nicht selbst erbracht» habe (Ausgabe von gestern). Die Uni spricht daher vom «Tatbestand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat» – was die Ministerin seit Monaten bestreitet.

Die Klage hilft politisch nicht

Schavan will gegen den Entscheid der Universität vor dem Verwaltungsgericht klagen und hat dafür renommierte Anwälte engagiert, denen es möglicherweise sogar gelingen könnte, ihr den Doktorhut wieder aufzusetzen. Doch bis es so weit wäre, wäre die Bundestagswahl vom 22. September längst vorbei. Und deshalb wird in Berlin jetzt von politischer Logik geredet: Unabhängig davon, ob Schavan so dreist wie einst ihr Kabinettskollege Karl-Theodor zu Guttenberg gemogelt habe oder ob ihr Fehlverhalten kleiner sei – Merkel müsse ihrer Freundin jetzt Adieu sagen. Und zwar bald.

Schavans «Wirkungskraft», schrieb gestern etwa die «Stuttgarter Zeitung», sei «ab sofort so stark beeinträchtigt, dass sie das Amt abgeben sollte». «Spiegel Online» meinte zwar, Schavan sei keine Blenderin wie der 2011 über seine zusammengeschriebene Doktorarbeit gestürzte Verteidigungsminister zu Guttenberg. Aber sie habe «dicke Fehler» gemacht, und ein Rücktritt sei wohl «unvermeidlich».

Guttenberg-Schelte rächt sich

Kommt hinzu: Anders als zu Guttenberg ist Schavan keine populäre Politikerin – und das hat auch mit dem Fall Guttenberg zu tun. Damals giftete Annette Schavan wie kaum ein anderes Regierungsmitglied gegen den Blamierten. Und vor allem ein Satz blieb klebrig an ihr haften: Dass sie sich «nicht nur heimlich schäme» für das, was der Plagiator angerichtet habe. Das war eine moralische Hinrichtung, und nun steht die Scharfrichterin von damals selbst am Pranger. Dabei nützt es ihr auch gar nichts, dass sie Professoren an ihrer Seite weiss, die das Verfahren der Uni Düsseldorf so fragwürdig finden, wie ihre Verteidiger das gestern formulierten.

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