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Mehr Mut, Frau Bundesrätin Leuthard!

Letzten Samstag ist in dieser Zeitung ein Interview mit Bundesrätin Doris Leuthard erschienen. Darin betont unsere Umwelt- und Verkehrsministerin, dass die Schweiz international die Nummer 1 bei der Verlagerung der Gütertransporte von der Strasse auf die Schiene ist.

Südostschweiz
31.07.14 - 02:00 Uhr

Von Jon Pult*

Das wollen wir auch hoffen! Denn Volk und Stände haben vor 20 Jahren mit der Annahme der Alpeninitiative so entschieden und damit einen demokratischen und verkehrspolitischen Meilenstein gesetzt. Seither hat die Politik zwei Aufträge zum Schutz der Alpen. Erstens: Der alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze zu Grenze gehört auf die Schiene. Zweitens: Die Kapazität der Transit-Strassen im Alpenraum darf nicht erhöht werden. Leider zeigen Leuthards Antworten, dass sie selber beide Aufträge hintertreibt.

Wenn die Bundesrätin das Ziel von maximal 650 000 alpenquerenden Lastwagen für verfassungsrechtlich unwichtig und technisch unerreichbar hält, ist das falsch und ein Angriff auf den Volkswillen. Tatsache ist, dass sich dieses Ziel direkt aus der Verfassung ableitet und im Gesetz verankert ist. Die Zahl 650 000 entspricht jener Anzahl Lastwagen, die nicht von Grenze zu Grenze fahren, also dem alpen-querenden Binnen-, Import- und Exportverkehr. Fakt ist auch, dass dieses Ziel mit der Einführung der Alpentransitbörse, wie sie das Gesetz vorsieht, absolut er-reichbar ist – zumal 2016 der Gotthard-Basistunnel eröffnet wird. Sogar die Studien, die vom Departement von Frau Leuthard in Auftrag gegeben wurden, bele-gen das.

Der zweite Angriff auf den Alpenschutz von Frau Leuthard ist die Absicht, am Gotthard eine zweite Strassenröhre zu bauen. Ihr Versprechen, die beiden Röhren nach der Sanierung des heutigen Tunnels nur einspurig befahren zu lassen, ist völlig unglaubwürdig. Wer heute für Milliarden Franken neue Strassen baut, will sie morgen auch befahren. Der renommierte Staatsrechtsprofessor Alain Griffel stellt darum klar, dass das Vorgehen der Bundesrätin der Verfassung widerspricht

Bundesrätin Leuthard will uns glauben lassen, Sachzwänge würden das Verlage-rungsziel in Frage stellen und eine zweite Gotthardröhre erfordern. Tatsache ist: Es geht nur um politischen Willen – und um politischen Mut. Frau Leuthard und der Bundesrat müssen sich einfach entscheiden. Entweder sie kapitulieren vor den kurzfristigen Profitinteressen der Strassenturbos und der Lastwagenlobby. Oder sie verfolgen eine fortschrittliche Verlagerungspolitik zum Wohle von Mensch und Umwelt. Dieser Weg ist richtig, er ist mutig und darum hat ihn bisher auch die Stimmbevölkerung immer gewählt. Mit einer Ablehnung der zweiten Gotthardröhre in der Volksabstimmung können wir dem Bundesrat einmal mehr die Richtung weisen. Hoffentlich findet Frau Leuthard dann den gleichen Mut beim Verkehr, den sie in der Energiepolitik bewiesen hat.

PS: Auch Leuthards Einschüchterung der Bündnerinnen und Bündner mit dem Umwegverkehr über den San Bernardino während der Sanierung des Gotthard-Strassentunnels ist unnötig. Dieses Problem kann gelöst werden, indem man am Gotthard einen Lastwagen- und Autoverlad einrichtet und den Strassentunnel nur während den Wintermonaten saniert. Wo ein Wille ist, ist auch hier ein Weg – und zwar ein guter.

*Jon Pult ist Präsident des Vereins Alpen-Initiative, Bündner Grossrat und Präsident der SP Graubünden. Er lebt in Chur.

In der Rubrik Tribüne äussern sich Persönlichkeiten, die nicht der Redaktion angehören, in lockerer Folge zu Themen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur.

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