×

Martin Schmutz: «Ich bin ein Joker»

In Sachen Exkursionen ist Martin Schmutz der wichtigste Mann im Nationalpark. Ein Unfall zwingt den 61-Jährigen nun an Krücken zu gehen und Büroarbeit zu erledigen. Kein Leichtes für einen passionierten Wanderer und Naturfreund.

Südostschweiz
31.07.14 - 02:00 Uhr

Von Tatjana Jaun

Zernez. – «Dümmer gehts nicht mehr», erinnert sich Martin Schmutz. Ende Mai im Tessin: Auf einer Teerstrasse fällt Schmutz mit seinem Velo auf ein Trottoir und bricht sich einen Oberschenkel. Seither humpelt er mit Krücken durch die Gänge des Schlosses Wildenberg in Zernez. Ausgerechnet ihm musste das passieren, ihm, der nicht nur alle Park-Exkursionen organisiert und delegiert, sondern auch selbst leidenschaftlich Wanderungen durchführt. Und gerade jetzt im Jubiläumsjahr des Schweizerischen Nationalparks muss dieser Unfall passieren, wo doch so viele Exkursionen gebucht werden und jeder verfügbare Park-Wanderleiter benötigt wird.

Im Nationalpark gibt es bis zu 18 Wanderleiter

Bis zu 18 freie Wanderleiter sind im Auftrag des Nationalparks unterwegs. Ein Blick in die Zahlen verrät: Dieses Jahr ist ein Spitzenjahr. Im Juni verzeichnete der Nationalpark bei Schulklassen und privaten Führungen eine Zunahme von rund 60 Prozent. Rund 3000 Teilnehmer insgesamt wurden im letzten Jahr registriert. Schmutz rechnet für dieses Jahr mit einem Teilnehmer-Plus von 40 Prozent – wenn nicht mehr. «Grund sind gewiss die Jubiläumsfeierlichkeiten», sagt Schmutz und blickt über den Brillenrand hinweg auf ein Blatt. Dort hat er feinsäuberlich die aktuellen Zahlen aufgelistet.

Büroarbeit – sie liegt ihm nicht, dem Baselbieter, der ursprünglich aus der Chemiebranche stammt und vor Jahrzehnten ins Engadin gezogen ist. Viel lieber ist der 61-Jährige draussen in der Natur und bei den Tieren. Schon als er klein war, war das so. Im Erwachsenenalter im Baselbiet keimt in ihm die Erkenntnis, dass es für ihn mehr geben muss als raue Betonbauten. Als Skilehrer fasst er seinen ersten Job im Engadin. Im Sommer entdeckt er dort schliesslich das Wandern.

Einmal Engadin und kein Zurück

Schmutz arbeitet bald für touristische Stellen im Oberengadin, bietet Gletscher-Lehrpfade und Steinwild-Führungen an oder führt mit amerikanischen Gruppen Wanderungen durch. Im 1992 absolviert er den Wanderleiter-Kurs der Bündner Wanderwege (BAW). Die Leidenschaft fürs Wandern ist bis heute geblieben.

Im Nationalpark ist Schmutz schon im sechsten Sommer. Hat sich in all den Jahren in der Wanderwelt etwas verändert? Das Bewusstsein für die Natur habe sich zum Positiven verändert, sagt Schmutz. «Littering ist im Nationalpark praktisch kein Thema.» Das Bedürfnis, in die Natur hinauszugehen, habe deutlich zugenommen. Entsprechend habe es in der Natur heute viel mehr Leute. Mehr Leute in der Natur – gibt es da nicht Reibungspunkte? «Ärgern muss ich mich praktisch nie.» Klar, es gebe gewisse Leute, die einen «Extrazug» fahren würden. Solche, die die Regeln des Nationalparkes missachten, markierte Wege verlassen oder mit dem Velo auf verbotenen Pfaden fahren. «Es handelt sich aber nur um einen kleinen Prozentsatz.»

Schmutz ist 61 Jahre alt. Die Pensionierung rückt näher. Ob es denn noch einen Lebenstraum gebe? Lange braucht Schmutz nicht zu überlegen. Wandern mit seiner Frau in Nordamerika, dort, wo sein Schwager lebt – oder einmal einen Bären oder Wolf beobachten, das wäre was. Schmutz’ Augen blitzen auf und dann verdunkeln sie sich wieder. Ja, dieser Unfall ärgere ihn schon etwas. «Aber nun ist es halt so.»

Im August ohne Krücken

Im Büro sind sie dankbar um seine Hilfe. Menükarten laminieren, E-Mails checken: Schmutz hilft, wo er nur kann. Er nimmt auch mal die Arbeiten einer Kollegin ab, die wegen des Freilichtspektakels Laina Viva in Arbeit versinkt. «Ich bin ein Joker, den man einsetzen kann», sagt Schmutz und schmunzelt.

Wenn mit der Physiotherapie alles gut verläuft, wird Schmutz die Krücken im August beiseite legen können. Er hätte sicher nichts dagegen, die lästigen Dinger schon früher los zu werden. Bis dann versucht er, wie er sagt, den Leuten im Büro «nicht auf den Wecker zu gehen». Eines sei für ihn klar, ein Büro, das sei für ihn nicht der richtige Platz.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR