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Martin Klöti setzt zum Sprung in die St. Galler Regierung an

Bauer, Lehrer, Unternehmer, Architekt, Hotelier: Es gibt nicht viel, was der ehemalige Rapperswiler Stadtrat Martin Klöti noch nicht gemacht hat. Jetzt will der Stadtammann von Arbon für die FDP in den St. Galler Regierungsrat.

Südostschweiz
12.02.12 - 01:00 Uhr

Von Adrian Huber

Arbon/Rapperswil-Jona. – Eine garstige Bise pfeift vom Bodensee um die Ecken der Arboner «Wunderbar». Mit grossen Schritten und zugekniffenen Augen stapft Martin Klöti durch den Schnee.

Pünktlich auf die Minute tritt Klöti ins Lokal. Sofort beschlagen die Gläser seiner Brille. «Willkommen in der ‘Wunderbar’», grüsst der Arboner Stadtammann, während er die Brille trocken reibt. «Hier ist es wie im Hotel ‘Jakob’ in Rapperswil. Hier fühle ich mich zu Hause.»

Frisur und Anzug sitzen perfekt. Das Hemd, dezentes Rosa, schaut eineinhalb Zentimeter unter den Ärmeln des Anzugs – nicht grau, sondern königsblau – hervor. Passend die Brille von Strellson, die Halbschuhe von Navy Boot. Der Arboner Stadtpräsident ginge locker als Modedesigner bei Versace durch.

Arbon war am Boden

Am 11. März will der Thurgauer FDP-Kantonsrat in die St. Galler Regierung. Dass der Kantonswechsel kein Problem sei, das habe er ja schon einmal bewiesen, im Jahr 2005, als er vom Rapperswiler Stadtrat ins Arboner Stadthaus gewechselt habe.

Damals war Arbon wirtschaftlich am Boden, politisch zerstritten. Für Klöti «eine Herausforderung». Jetzt, sieben Jahre später, befindet sich die Stadt im Aufwind. Aus den geschlossenen Saurerwerken ist das Saurer Museum geworden. Nebenan ist das Kulturhotel «Wunderbar» entstanden. Der Hafen ist neu, die Altstadt hat bald eine Umfahrung und die Finanzen sind im Lot.

Auf die eine oder andere Weise hatte überall Klöti seine Finger mit im Spiel, ob als Initiant oder Ideen- und Tippgeber.

Kritik ist in Arbon kaum zu hören. Das war auch mal anders. Vor seinem Amtsantritt. Die SVP nahm ihm übel, dass er schwul ist. Man wolle in Arbon «keine Berliner Verhältnisse».

Darüber kann Klöti heute nur noch schmunzeln. Es sei ein «klassisches Eigentor» gewesen. Schliesslich befinde man sich im 21. Jahrhundert. «Ich kann ja nichts dafür, dass ich so zur Welt gekommen bin», sagt Klöti lapidar und nippt an seinem Kaffee, während die ersten Mittagsgäste an den Tischen der «Wunderbar» Platz nehmen.

Wahlkampf Marke «Obama»

Der 57-Jährige hat gemacht, wofür andere fünf Leben benötigen würden: In den 1970-und 80ern Bauer, Lehrer und Produzent von Rauchlachs im Toggenburg. In den 90ern ein HSR-Abschluss in Landschaftsarchitektur, Hotelier im «Jakob», Gründer des Blues’n’Jazz, von 1997 bis 2005 Rapperswiler Stadtrat. Alles mit Leib und Seele. «Geht nicht, gibt’s nicht» ist sein Lieblingsargument, wenn er andere überzeugen muss.

So überlässt er auch jetzt nichts dem Zufall, nachdem er sich seine Kandidatur lange überlegt hat. Der Aufritt ist minutiös geplant. Auch der virtuelle. Klöti führt einen Wahlkampf Marke «Obama».

Pünktlich zum Kampagnenstart war die neue Homepage fertig. In Rekordzeit hochgeladen werden Zeitungsartikel. Runterladen kann man professionelle Pressebilder. Mit seinen Fans chattet Klöti auf Facebook, im Blog postet er seine Gedanken zum politischen Geschehen – und seine Neujahrsglückwünsche: «Ich wünsche allen Liebe, Geld und Gesundheit», zitiert er im Blog ein Horoskop. Wobei er selber die Reihenfolge anders gestalten würde. «Wer wählen kann, stellt die Gesundheit vor das Geld.»

Liebe vor Gesundheit? «Ja, klar», entgegnet Klöti, «ohne Liebe ist man auf Dauer kaum gesund.»

Plötzlich tritt eine ältere Dame an den Tisch. Es ist Dorothee Schlumpf vom Arboner Puppentheater. «Leider stehen die Chancen nicht so schlecht, dass Sie gewählt werden», strahlt sie Klöti an. Sie wünsche ihm trotzdem alles Gute in St. Gallen, nimmt sie das Wahlresultat vorweg.

Nicht alle Arboner sehen Klötis Wechsel so locker wie die Dame vom Puppentheater. Manche sind überrascht (CVP), andere schwanken zwischen Enttäuschung und Verständnis (SP), weil Klöti nur ein Jahr nach seiner Wiederwahl gehen will. Der Zeitpunkt sei ungünstig, viele Projekte aufgegleist und zu begleiten, so der Grundtenor. Und die SVP nimmts persönlich: Für sie hat Klöti schlicht den «Vertrag mit dem Volk» gebrochen. Er sei wie Thorsten Fink, der den FC Basel bei der ersten verlockenden Chance verlassen habe.

Weitblick dank grösserer Fenster

Klöti verliert seine Gelassenheit nicht und sagt lächelnd: «Den idealen Zeitpunkt gibt es nicht. Alles ist im Fluss.» Die grösseren Projekte seien so weit aufgegleist, dass der Nachfolger weitermachen könne.

Anders sei es vor zwei Jahren gewesen. Rapperswil-Jona klopfte damals an und wollte ihn zurück. Diesmal als Stadtpräsident. «Das hätte mich zwar gereizt», gibt Klöti zu, «aber es war definitiv zu früh, Arbon zu verlassen.»

Auf dem Weg ins Saurer Museum, dessen Stiftungspräsident Klöti ist, kommt er ins Schwelgen: «Wir gehen jetzt in das grösste Schweizer Museum, das ohne ständiges Personal auskommt. Man kauft die Jetons in der ‘Wunderbar’ und schaut sich dann selbstständig die Ausstellung an.»

Das Drehkreuz kaum hinter sich, verwandelt sich der Stadtammann in einen Museumsführer. Ob Webmaschine, Lastwagen oder Stickmuster: zu allem weiss er eine kleine Geschichte.

Am Ende des Rundgangs zeigt er auf die gigantischen Fenster auf der Nordseite des Museums: «Schauen Sie! Wir durften diese Fenster vergrössern. Jetzt hat man einen weiten Blick über den Bodensee.»

Martin Klöti, wie und wo verbringen Sie Ihre Freizeit?

Martin Klöti: In meinem Rückzugsort, bei Musik, Lesen und möglichst auch in der freien Landschaft oder auf dem Ruderboot.

Wovor haben Sie Angst?

Vor einem Unfall im Strassenverkehr.

Was lesen Sie derzeit?

«Die Kunst des klaren Denkens» von

Rolf Dobelli.

Was verwenden Sie auf Ihrem Computer als Bildschirmhintergrund?

Die neutrale Fläche. Der Bildschirm ist ein Arbeitsinstrument und kein Ferienkalender.

Wo werden Sie in diesem Jahr Ihre Ferien verbringen?

Das ist noch völlig offen. Möglicherweise wieder einmal mit dem Motorrad in Italien.

Als einer von acht Kandidaten tritt Martin Klöti (FDP) am 11. März zu den Regierungsratswahlen an. Der 57-jährige Thurgauer Kantonsrat wuchs in Meilen (ZH) auf. Er war Lehrer, Bauer und Unternehmer im Toggenburg. Seit 1995 ist Klöti diplomierter Landschaftsarchitekt HTL. Von 1997 bis 2005 sass er im Rapperswiler Stadtrat, seither amtet Klöti als Stadtammann von Arbon. (hua)

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