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Joachim Raffs Werk in einer Ausstellung

Mit einem kleinen Violinstück eroberte der am Zürich-Obersee geborene Komponist Joachim Raff (1822–1882) die Konzertpodien der Alten und Neuen Welt. Eine brillant gestaltete Ausstellung in Lachen erinnert an den lange vergessenen Spätromantiker.

Südostschweiz
02.10.12 - 02:00 Uhr

Von Walter Labhart

Lachen. – Noch ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod in Frankfurt am Main wurde der ebenso vielseitige wie produktive Spätromantiker Joachim Raff aus dem Kanton Schwyz auf seine erfolgreichste Komposition reduziert. Mit der 1859 in Wiesbaden entstandenen, nur 71 Takte zählenden Cavatina op.85 Nr.3 für Violine und Klavier war er ins Weltrepertoire eingegangen. Während diese melodisch gefällige, jedoch recht harmlose Miniatur sogar für Kavalleriemusik bearbeitet und von Kurorchestern rund um den Erdball gespielt wurde, gerieten seine abendfüllende Oper «König Alfred», elf Sinfonien und über hundert Klaviersolostücke in Vergessenheit.

Die Aufarbeitung geht voran

Zur Wiederentdeckung des einst von Brahms, Tschaikowsky, Mahler und Richard Strauss geschätzten Komponisten hat auf breiter Ebene niemand so wesentlich beigetragen wie die am Geburtsort Lachen 1972 gegründete Joachim-Raff-Gesellschaft. Ihr sind nicht nur zahlreiche Konzerte des «Marchring» und des von Giovanni Bria geleiteten «Musiksommer am Zürichsee» mit Musik von Raff zu verdanken, sondern auch der Anstoss zu wichtigen Schallplatten- und CD-Einspielungen. Aus dem internationalen Angebot von Hauptwerken ragt die von Hans Stadlmair dirigierte Gesamtaufnahme der Sinfonien mit den Bamberger Symphonikern beim Zürcher Label Tudor heraus.

Handschriften und Tondokumente

Selber ein passionierter Musikforscher und Sammler, hat der auch als Gesangssolist bekannt gewordene Präsident der Raff-Gesellschaft, Res Marty, in mühsamer Sucharbeit in Archiven und Museen unzählige Mosaiksteine aus Raffs Leben und Schaffen zusammengetragen. Sie ergeben ein faszinierendes, vielschichtiges Bild einer Komponistenpersönlichkeit. Der vor 190 Jahren als Sohn eines aus politischen Gründen eingewanderten Deutschen und einer Schwyzerin geborene und als Berühmtheit in seiner deutschen Wahlheimat gestorbene Musiker war ein fortschrittsbewusster Geist. Als Vorkämpfer für die Gleichstellung der Frau richtete er, kaum zum Direktor des Hoch’schen Konservatoriums in Frankfurt am Main ernannt, 1877 eine weibliche Parallelklasse für den dort erteilten Kompositionsunterricht ein.

Solche Details, Dokumente von Raffs Beziehung zu Wagner und weitere Informationen, die in keinem Lexikon stehen, erleichtern in der von Res Marty, Yvonne Götte und Franz-Xaver Risi gestalteten Ausstellung den Zugang zum Komponisten. Hörstationen führen mit Briefen und Musik an einen Künstler heran, dessen Vielfalt erstaunt. Von den in vier Jahrzehnten hervorgebrachten 216 Kompositionen mit Opuszahlen figurieren auch so gewichtige Orchesterwerke wie die Sinfonie «Im Walde» oder die Ouvertüre «Eine feste Burg ist unser Gott» sowie Kammermusikwerke und Lieder in der Schau. Unter den vielen Autografen fallen ein Brief von Goethe und Albumblätter von Raff auf, zwischen Porträts befreundeter Komponisten gibt es Büsten von Hans von Bülow und anderen musikalischen Grössen zu entdecken.

Spezialitäten im «Raff-Kaffee»

Erinnern historische Ansichten an den frühen Lebensraum in und um Lachen, so schlagen lokale Spezialitäten, die der Komponist nachweislich schätzte, in einem eigens für die Ausstellung eingerichteten «Raff-Kaffee» einen originellen Brückenschlag zum Geburtsort. Ein Schluck Rosouli mag dem einen Ausstellungsbesucher ebenso viel bedeuten wie ein paar Takte aus der leicht süsslichen Cavatina dem anderen. Auf die Rechnung kommen in den vielfältigen Annäherungen an Joachim Raff gewiss beide.

Joachim Raff: Ausstellung im alten EW-Gebäude, Lachen SZ, bis 21. Oktober.

www.joachim-raff.ch

– nebst vielen Klavierwerken mit Widmungen etwa an die frühen Förderer Felix Mendelssohn Bartholdy und Franz Liszt –

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