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Jetzt gibts noch ein Pflaster

Die Gastrobranche steht schon seit Jahren stark unter Druck. In Graubünden zeigt sich das unter anderem im Beizensterben in den Dörfern. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der traditionellen Restaurants in der Schweiz um 23 Prozent gesunken, wie die «Schweiz am Sonntag» im vergangenen Dezember schrieb.

Südostschweiz
20.09.14 - 02:00 Uhr

Dabei schliessen in den Dörfern zweieinhalbmal mehr Beizen als in den Grossstädten. Die schlechte Ertragslage ist allerdings nicht allein in der Mehrwertsteuerbelastung zu begründen. Dorfbeizen leiden nebst dem veränderten Konsumverhalten unter der Promillegrenze, dem Rauchverbot oder den strengen Vorschriften im Lebensmittelbereich. Auch klassische Speiserestaurants in der Tourismusbranche darben: Die Gesellschaft hat sich gewandelt, alles muss schneller gehen, auch die Verpflegung. Hinzu kommen Pachtzinsen, Versicherungen, Energie- und Lohnkosten sowie restriktive Arbeitsgesetze – all dies setzt dem viertgrössten Arbeitgeber im Land zu. Die Branche kämpft, und in der finanziell schwierigen Lage ohne Rücksicht auf Verluste. Die Sachlage: Restaurants werden mit dem Satz von 8 Prozent besteuert. Take-aways zum Lebensmittelsatz von 2,5 Prozent. Die Ellen sind nicht gleich lang, sagen die Befürworter, und fordern Gerechtigkeit. Die Bilanzen der Gastrobranche würden bei einem Ja gemäss NZZ um rund 300 Mio. Franken entlastet. Bloss: nur bei gleichbleibenden Preisen. Der Allgemeinheit – sprich dem Gast – bringt diese Entlastung nichts. Den Betrieben geht es um den Gewinn, die Initianten aber sprechen von Diskriminierung. Das darf argwöhnisch machen, denn eine generelle Anhebung der Besteuerung aller Dienstleistungen auf 8 Prozent ist vermutlich nicht im Geist der Vorlage. In Graubünden wird das Geschenk an den Gast, der auswärts essen muss, immerhin auch nicht versprochen. Hier geht es nicht um sozialpolitische Errungenschaften, sondern um eine stärkere Position im Wettbewerb mit dem Ausland, die Betriebe hätten mehr Geld, um in Qualität zu investieren. Hier geht es um Tourismusförderung. Nur: Wird die erleichterte Ausgabeposition der Mehrwertsteuer den erhofften Impuls bringen oder eine Signalwirkung haben? Das ist zu bezweifeln. Und trotzdem: Wer zum Tourismus steht, muss am 28. September zu dieser Vorlage Ja sagen – auch im Wissen, dass mit der Bündner Tourismusbranche kein eigentlicher Patient an Krücken geht – sondern ein etwas rat- und mutloser Zeitgenosse durchs Jammertal schreitet. Und dieser erhält nun noch ein Pflaster.

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