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Inglin: «Wir befinden uns nun mal in einer Umbruchphase»

Dem alpinen Schweizer Männer-Ski-Team läuft es in diesem Weltcup-Winter überhaupt nicht nach Wunsch. Die Swiss-Ski-Verantwortlichen nannten gestern in Ittigen bei Bern einige Gründe dafür. Schuld-zuweisungen gab es keine.

Südostschweiz
09.01.13 - 01:00 Uhr

Von Jürg Sigel

Ittigen. – «Jetzt steht die Berner-Oberländer-Woche vor der Tür. Das ist speziell. Was bisher war, ist vorbei», sagte Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann gestern vor den Medien in Ittigen. Aber natürlich ist es nicht so, dass das bisher Geschehene einfach unter den Tisch gewischt wird. Um zur Erfolglosigkeit des Männer-Ski-Teams in dieser Saison Stellung zu nehmen, hatte Swiss-Ski denn auch die Medienorientierung einberufen – unmittelbar vor den Klassikern in Adelboden und Wengen.

«Entscheidend ist nicht die Grösse der Gruppen»

Viel erwarten darf man von den Schweizern in den Heimrennen nicht. Denn so schlecht war unsere alpine Ski-Belegschaft noch nie. «Man kann von einer Krise sprechen», sagte Osi Inglin, der Männer-Cheftrainer. «Die Krise darf aber auch als Wendepunkt bezeichnet werden. Wir befinden uns nun mal in einer Umbruchphase.»

Inglin sprach den Rücktritt von Didier Cuche und den verletzungsbedingten Ausfall von Beat Feuz an. Damit fehlen die zuverlässigen Podestfahrer des Vorjahres. Zu ersetzen vermochte sie niemand. Dass der fehlende Konkurrenzkampf innerhalb der – so glauben Experten zu wissen – teilweise zu kleinen Trainingsgruppen der Grund für die Misere ist, verneinte Inglin. «Aksel Svindal zum Beispiel trainiert in einem 2-Mann-Team. Das funktioniert dort auch. Entscheidend ist nicht die Grösse der Gruppen. Wichtig ist, dass diese leistungshomogen daherkommen.»

Niveau «falsch eingeschätzt»

Beim Saisonstart im österreichischen Sölden schien dies noch der Fall zu sein. Die Trainingsresultate davor waren ausgezeichnet gewesen. Entsprechend blickten die Verantwortlichen den bevorstehenden Aufgaben fast schon euphorisch entgegen. Inglin dazu: «Inzwischen gestehen wir uns ein, das Leistungsvermögen einzelner Fahrer falsch eingeschätzt zu haben. Und rückblickend muss ich sagen, dass ich in gewissen Punkten früher hätte eingreifen müssen.» Inglin nannte eine Phase der Saisonvorbereitung, in der bei den Speedfahrern «der Fokus zu sehr auf die Testerei des Materials gelegt wurde».

Das Material ist bis heute ein (leidiges) Thema. Mit den längeren Skis und der dadurch angepassten Kurssetzung haben sich viele Konkurrenten inzwischen angefreundet. Carlo Janka hingegen – um nur ein Beispiel zu nennen – bekundet immer noch Mühe. Inglin: «‘Jänks’ ist halt nicht der, welcher sich schnell neuen Gegebenheiten anzupassen versteht. Doch er kämpft und schafft es. Alles ist eine Frage der Zeit.»

«Im Frühling über die Bücher»

Nach den missglückten Überseerennen habe man auf die Wettkämpfe in Europa gehofft, so Lehmann. «Doch die Besserung trat nicht ein. Dies hatte intern viele Gespräche zur Folge.» Personalwechsel im Trainerstab hätten jedoch nie zur Diskussion gestanden. Lehmann: «Es wäre ohnehin der falsche Zeitpunkt für Vorwürfe oder sich selbst zu zerfleischen.» Dierk Beisel, Chef Leistungssport bei Swiss-Ski, ergänzte: «Man kann Ski alpin nicht mit Fussball vergleichen. In unserem Sport würde zum jetzigen Zeitpunkt ein Trainerwechsel keine neuen Impulse bringen. Im Frühling gehen wir über die Bücher.»

Lehmann betonte: «Wir waren uns bewusst, dass es in diesem Winter schwierig wird oder werden könnte. Wir haben vor der Saison nie etwas anderes gesagt.»

Dumm ist nur, dass die schlimmsten Befürchtungen übertroffen wurden. Dass selbst die wenigen übrig gebliebenen Leistungsträger floppen, wirkt sich dabei doppelt negativ aus. Inglin: «In den Trainings fehlt den Jungen die Orientierungsgrösse.» Dabei wäre gerade dies wichtig, denn mit dem Übergang vom Nachwuchs und den unteren Stufen in den Weltcup tun sich die Schweizer schwer. «Wüssten wir, weshalb es diesen Bruch in der Athleten-Pipeline gibt, dann würden wir es ändern», so Ex-Weltmeister Lehmann.

Aussenseiterrolle als Chance an der WM

«Rückschläge gehören zum Sport», meinte Lehmann. Doch bei Swiss-Ski ist man überzeugt, dass wieder gute Zeiten anbrechen. Athleten, die es schon einmal oder öfters in die Top 3 geschafft haben, gibt es schliesslich genug.

Inglin: «Unser Wunsch ist es, das Podest bald wieder einmal aus etwas näherer Distanz zu sehen.» Wenn nicht im Weltcup, dann an der WM. «In Schladming werden wir nicht zu den Favoriten gehören. Doch das kann an einem Grossanlass ein Vorteil sein.» Ein Funken Hoffnung erhellt die Tristesse.

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