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«Ich wünsche mir eine warme Dusche»

Nach zehn Tagen im Wald ist Roger Rhyner wieder zurück in der Zivilisation – sichtbar gezeichnet. Denn sein neustes Abenteuer hat deutliche Spuren hinterlassen – im Kopf und am Körper.

Südostschweiz
30.08.14 - 02:00 Uhr

Von Lisa Koch

Kerenzerberg. – Er kraxelt durch den nassen Wald, trinkt aus Bergbächen und stillt seinen Hunger mit Brombeeren, Korallenpilzen, Haselnüssen und Kohldisteln. Zehn Tage lang lebt Autor und Radiomoderator Roger Rhyner aus Glarus mit fünf weiteren Freiwilligen im Wald oberhalb des Walensees. Mit minimaler Ausrüstung – ohne Schlafsack, Zahnbürste oder Lebensmittel. Begleitet werden sie von Radio Zürisee. Gestern ist die Truppe zurückgekehrt – «mit unendlich vielen neuen Eindrücken», erzählt Rhyner.

Warme Dusche und bequemes Bett

«Ich habe fünf Mal geduscht, aber meine Haare riechen immer noch nach Feuer», erzählt er von seinen ersten Stunden nach der Rückkehr. «Einfach unglaublich.» Eine Dusche mit warmem Wasser stand ganz oben auf seiner Wunschliste für die Zeit nach dem Waldabenteuer. Gleich nach dem Wiedersehen mit seiner Familie.

Auch auf sein bequemes Bett freut sich Rhyner riesig. Denn «an die Kälte und Feuchtigkeit kann man sich gewöhnen – aber nicht an einen unbequemen Schlafplatz», bilanziert der 43-Jährige. «Denn dadurch schläft man kaum, ist ständig müde und bekommt grausame Rückenschmerzen.»

Das erste Frühstück mit duftendem Kaffee und frischen Brot sei «einfach herrlich» gewesen. «Weil sich meine Sinne im Wald extrem geschärft haben, konnte ich das gleich doppelt geniessen», erzählt Rhyner, der in den zehn Tagen mehr als sieben Kilo abgenommen hat. «Pro Person gab es am Tag rund 100 Gramm zu Essen. «Auch wenn ich nie Hunger hatte – die Kräfte haben schon nachgelassen», so Rhyner.

Lehne statt Schneidersitz

Statt aufs Essen, habe sich die sechsköpfige Truppe aber zuerst auf die Stühle mit Lehne gestürzt. «Endlich nicht mehr im Schneidersitz auf dem Boden sitzen – das war toll», sagt der zweifache Vater, der in den vergangenen Jahren bereits die Sahara durch- und den Atlantik überquert hat. Heute weiss er: «Manchmal liegen die grössten Abenteuer direkt vor der Haustüre. Man muss sich nur trauen, seine Komfortzone zu verlassen.»

Mit dem Waldabenteuer hat sich Rhyner einen langgehegten Kindheitstraum erfüllt. «Der Zivilisation einfach mal den Rücken zukehren und im Wald überleben – das wollte ich schon als Jugendlicher ausprobieren.» Doch das Experiment hat Rhyner auch an seine Grenzen gebracht. «Es gab einige schwere Momente, in denen man auch ans Aufgeben gedacht hat», gibt er zu. Zum Beispiel, als er in der Nacht, bei niedrigen sechs Grad, auf seinem unbequemen und teils nassen Bett im Glarner Wald gelegen hatte. «Trotz Sommermonat August hat es fast jeden Tag geregnet – nur am letzten Tag zeigte sich der Wettergott wieder etwas versöhnlicher mit uns.»

Gämse sorgt für Tränen

Auf der anderen Seite gab es auch viele Highlights. «Ich hatte Tränen in den Augen, als der Wildhüter von Glarus Nord unsere Truppe nach fünf Tagen mit einer toten Gämse überraschte», erzählt Rhyner. «Ich hätte nie gedacht, dass Fleisch einem so viel Power zurückgeben kann», erinnert er sich. Das Tier wurde von der Gruppe komplett verwertet – von Herz und Leber über das Muskelfleisch bis hin zum Kopf, den Rippen und dem Fell.

Neben den vielen Erinnerungen, nimmt Rhyner auch viel Wissen aus der Zeit im Wald mit nach Hause. «Von den Naturwildnis-Pädagogen in der Gruppe habe ich viel über Tiere, Pflanzen und deren Verwendung und Wirkung gelernt.»

Kaum zurück aus dem Wald, denkt Rhyner schon darüber nach, welches Experiment als nächstes auf ihn warten könnte. «Eine Woche im Altersheim wäre doch sicher mal spannend», überlegt er und fängt dann plötzlich an zu lachen «Da hätte ich auf jedem Fall ein bequemes Bett.»

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