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Hier Fasnacht, dort Pöbel

Die Fasnacht, die war einst lustig, auch in Chur. Das wissen die, die dabei waren – und erzählen es jenen, die jeweils sehnsüchtig auf die Rückgabe des Stadtschlüssels an den Präsidenten warten.

Südostschweiz
29.01.15 - 01:00 Uhr

Fasnacht, das sind die närrischen Tage, an denen die Gesetze ausgehebelt scheinen, an denen das Unmögliche möglich wird, an denen der Ausbruch aus dem engen Leben einst nicht nur möglich, sondern auch geduldet war. Fasnachtstage waren (und sind mancherorts) das Ventil, um den Rest des Jahres erdulden zu können – die Ursprünge der Fasnacht sind denn auch nicht restlos geklärt.

Die Zeiten sind vorbei, jedenfalls in Chur. Die vielen Zuschauer beim Umzug seien ein Problem, sind sich die Fasnachtsvereinigung und die Stadtpolizei einig. Deshalb sollen entlang der gesamten Strecke Schranken her, «im Sinne eines Versuchs», wie es heisst. Hier die Fasnacht, dort das Volk, das sich bitte nicht mehr erdreiste, mehr sein zu wollen als die Kulisse für den Umzug. – Ausbruch aus dem engen Leben? Aushebeln der Gesetze? – Nichts da! «Aufs Trottoir, dummes Volk!», schallt es von der Obrigkeit her. Nur dort sei man sicher, begründen die Fasnachtsvereinigung und die Stadtpolizei ihren gemeinsamen Versuch. Und wenn man schon am Reformieren ist, wird auch gleich die Route drastisch verkürzt: In der Poststrasse will man keine Fasnacht mehr, der Umzug soll neu in der Quaderstrasse schon enden, ausfasern.

Dass die Churer Fasnachtsrevolution von oben herab unter dem Stichwort «Sicherheit erhöhen» stattfindet, ist bezeichnend für unsere Zeit. Spassgesellschaft hier, Spassgesellschaft da – und alles bis ins Detail reglementiert. Und wehe, man halte sich nicht daran: Die Strafen sind drakonisch.

Natürlich, natürlich: Sicherheit in Ehren! Niemand will, dass Kinder am Umzug unter die Räder geraten. Nur ist das mit der Sicherheit halt so eine Sache. Sie macht eigenartigerweise an einer Stelle Halt, an der sie nicht Halt machen müsste. Denn wer sich ernsthaft um die Kinder sorgt, die unter die Räder kommen könnten, sollte gescheiter die Tempolimiten in Chur senken. Das schafft Sicherheit – und wird dennoch abgelehnt.

Lasst die Fasnacht also so, wie sie halt ist: lebendig, chaotisch, gefährlich, zügellos. Oder schafft sie ab. Das wäre wenigstens konsequent.

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