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Guildo Horn: «Schlager ist eine Operettengeschichte»

Zehntausende pilgerten am Wochenende an die Schlagerparade nach Chur. Wohl mindestens gleichviele staunen über den Erfolg. Der deutsche Schlagerstar Guildo Horn erklärt das Phänomen.

Südostschweiz
01.10.14 - 02:00 Uhr

Mit Guildo Horn sprach Pierina Hassler

Guildo Horn, was lockt 30 000 Leute an eine Schlagerparade?

Guildo Horn: Die Leute kommen, weil es ein schöner und bunter Event ist. Aber auch, weil die Siebzigerjahre an eine problembefreite Zeit erinnern. Sie stehen für gute Laune, waghalsige Designs und ganz allgemein für Freude am Leben.

Warum singen Sie Schlager, verballhornen aber eigentlich diese Art von Musik?

Das stimmt so nicht. Ich liebe Schlagermusik. Das was ich mache, ist eher das Gegenteil von Verballhornung, obwohl mein Nachname ‘Horn’ darin enthalten ist. Es ist eine Hommage an den Schlager.

«Die Gattung Mensch finde ich lächerlich»

Aber Ihre Art, sich für die Auftritte zu kleiden, lässt die Vermutung schon zu. Sie machen sich, wenn nicht über die Musik, dann über die Sänger lustig? Und der Name ihrer Band «Die orthopädischen Strümpfe» ist ja auch nicht wirklich ironiefrei.

Ich würde mich persönlich nie lustig über eine Person machen. Die Gattung Mensch finde ich aber generell ziemlich lächerlich. Und zwar, weil die sich so unglaublich wichtig nimmt. Wenn ich mich über etwas amüsiere, dann immer über mich selbst. Wenn man nicht über sich selber lachen kann, hat man auch nicht das Recht über andere zu lachen.

Aber wie ein typischer Schlagersänger sehen Sie trotzdem nicht aus.

Wie sieht ein typischer Schlagersänger denn aus?

Braun gebrannt, Föhnfrisur, toller Anzug …

Dann bin ich halt so ein 70er-Jahre-Sänger nach dem atomaren Erstschlag. So ein bisschen der zerklüftete Typ. Mir ist wichtig, dass man mit jeder Art von Musik ernsthaft umgeht. Wir machen Musik für Hörer aller Fachbereiche und das nennt sich dann Schlager. Das Schöne daran: Man kann sich im Schmalz und in der Einfachheit wohlfühlen. Da schlüpfst du so rein und bist für ein paar Stunden total weg. Und dann landest du halt wieder sportlich auf den harten Boden des Alltags.

Aber der «richtige» Schlagerstar singt nicht nur Schmalz, er glaubt auch daran ,oder?

Schlager ist wie Operette. Keiner der Schlagersänger, die ich kenne, und ich kenne fast alle, glaubt genau an das, was er singt. Jeder weiss, dass das eine Operettengeschichte ist. Das unterscheidet die Schlagermusik von der Rock- und Popmusik. Diese Sänger glauben teilweise tatsächlich, dass sie Weltverbesserer und Revolutionäre sind.

«Bands wie Spliff und Ideal»

Der deutsche Schlager musste lange unten durch, jetzt ist er wieder in. Was ist passiert?

Das Schlager Revival hat Ende der Achtzigerjahre stattgefunden, nicht jetzt. Ich habe damals schon kleine Konzerte gegeben. Schallplatten ausgegraben und Discos organisiert. Aber klar, früher verkaufte ein Michael Holm nach einem Fernsehauftritt 300 000 Platten. Stars wie er hatten die Lizenz zum Gelddrucken. Irgendwann kam aber die neue Nüchternheit. Bands wie Spliff, Ideal oder Sänger wie Hubert Kah merkten, dass man mit der deutschen Sprache auch anders umgehen konnte. Das war dann modern, und die Schlagersänger hatten dem nichts entgegen zusetzen.

«Ich trommelte in einer Big Band»

Wie kamen Sie eigentlich zur Musik?

Mit vier Jahren sang ich in meiner Heimatstadt Trier im Kammerchor. Mit neun Jahren lernte ich Gitarre spielen. Mit 13 Jahren hatte ich meine erste Band – wir spielten Rock, Folk und Pop. Ich war der Schlagzeuger. Später war ich im Landesjugendchor, spielte Theater und trommelte in einer Big Band. Zum Geldverdienen habe ich später Tanzmusik gemacht. Ich hatte aber auch eine Firma namens Teleboy. Für die sang ich an Taufen und Hochzeiten Glückwunschtelegramme.

Können Sie sich noch an Ihre erste selbstgekaufte LP erinnern?

Das waren parallel Udo Jürgens und Deep Purple. Diese zwei Achsen bestimmen mein musikalisches Leben.

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