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Grichting nimmt die CVP ins Gebet

Generalvikar Martin Grichting hat am Mittwoch beim katholischen Bündner Kirchenparlament Corpus Catholicum zum Zweihänder gegriffen. Der Angriff galt vor allem der CVP, die das C im Namen längst nicht mehr verdiene.

Südostschweiz
31.10.14 - 01:00 Uhr

Von Olivier Berger

Chur. – Zur Vorgeschichte: Vor zwei Jahren lehnte das Bündner katholische Kirchenparlament Corpus Catholicum einen Vorstoss von Generalvikar Martin Grichting ab. Grichting hatte die Zuwendungen der katholischen Landeskirche an die Familien- und Schwangerschaftsberatung Adebar streichen wollen. Adebar, so seine Meinung, befürworte die Abtreibung, was mit den katholischen Grundwerten nicht vereinbar sei.

Der damaligen Ablehnung folgte ein juristisches Nachspiel; auf den definitiven Entscheid des Verwaltungsgerichts Graubünden warten alle Beteiligten nach wie vor.

Chancenlos, aber deutlich

Das lange Warten auf klärende Worte des Verwaltungs- und allenfalls Bundesgerichts bewog Grichting und Bischofsvikar Christoph Casetti dazu, am Mittwoch den genau gleichen Antrag wie vor zwei Jahren noch einmal einzureichen. Chancenlos blieb das Ansinnen erneut: Der Vorstoss wurde mit praktisch dem gleichen Stimmenverhältnis wie im Jahr 2012 klar abgeschmettert – niemand hatte ernsthaft einen anderen Ausgang der Debatte erwartet.

Mehr zu reden als die Abstimmung gaben Grichtings Ausführungen vor den Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Diese hatten sich zu Beginn der Sitzung geweigert, eine Stellungnahme des Generalvikars aus dem vergangenen Jahr nachträglich im Wortlaut ins Protokoll aufzunehmen. Grichting warf dem Corpus Catholicum deshalb flugs Zensur vor. «Sie haben sich damit als ernst zu nehmende demokratische Institution abgemeldet», sagte Grichting und unkte, vermutlich werde das Corpus Catholicum auch heuer «missliebige Aussagen unterdrücken».

In der Folge zeichnete Grichting den bisherigen Gang der Dinge in Sachen Adebar nach und kam dabei zum Schluss, das Verhalten der Landeskirche sei «einer Bananenrepublik würdig». Die Beibehaltung der Beiträge an Adebar wertete Grichting als «Übergriff auf die katholische Kirche». Und der CVP sprach er gar das Recht ab, das C weiterhin im Parteinamen zu führen. Die Haltung der Christdemokraten erkläre für ihn, «warum auch hier im Fall Adebar gemauschelt wird; man verfolgt die gleichen Interessen wie die Mehrheitsgesellschaft».

Kopfschütteln bei der CVP

Bei der kopfstarken CVP-Vertretung im Corpus Catholicum sorgten Grichtings Angriffe für Irritation. «Völlig daneben» sei der neuerliche Anlauf in Sachen Adebar gewesen, sagte der Churer CVP-Grossrat Franz Sepp Caluori auf Anfrage. «Das ist reine Zwängerei.» Das C im Namen CVP bedeute christlich und nicht katholisch, betonte Marcus Caduff, CVP-Fraktionschef im Bündner Grossen Rat. «Und schon gar nicht katholisch, wie es die Diözese in Chur versteht.» Religion müsse die heutigen Bedürfnisse der Menschen beachten, «nicht die Situation vor 500 Jahren».

Etwas zurückhaltender äusserte sich der Puschlaver CVP-Grossrat Alessandro Della Vedova. «Abtreibung ist ein schwieriges Thema», sagte er auf Anfrage. «Das ist eine Gewissensfrage, die jeder Mensch für sich entscheiden muss.» Er selber könne Abtreibung «als Katholik zwar nicht befürworten». Trotzdem gehe es nicht an, dass man den Menschen vorschreibe, was sie zu tun hätten – «wie bei den Taliban».

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